Artisten in der Zirkuskuppel ratlos

Die LINKE taumelt zwischen Beilegung und Wiederbelebung ihres Parteistreits

  • Gabriele Oertel
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit Gregor Gysi ein Comeback von Oskar Lafontaine auf die bundespolitische Bühne in einer »Notsituation« ins Spiel gebracht hat, tobt in der LINKEN erbitterter Streit. Zu fürchten steht, dass der auch weitergeht, obwohl Parteichefin Gesine Lötzsch die Debatte gestern für beendet erklärte.
Nicht immer ist Gregor Gysi dicht umringt.
Nicht immer ist Gregor Gysi dicht umringt.

Nein, Ulrich Maurer ist von keinem Zweifel gerührt. Er würde »in jedem vergleichbaren Fall – auch aus dem Westen – genauso heftig reagieren«, erklärte der Co-Parteibildungsbeauftragte der LINKEN gestern gegenüber ND. Maurer hatte, nachdem der sächsische Landesvorsitzende Rico Gebhardt eine Rückkehr des saarländischen Linksfraktionschefs Oskar Lafontaine in die Bundespolitik der LINKEN als »Weg in die Vergangenheit« abgelehnt und stattdessen Bodo Ramelow und Dietmar Bartsch ins Gespräch gebracht hatte, den Sachsen rüde abgewatscht. Der könne »wieder laut werden«, wenn er bessere Wahlergebnisse habe, sagte der Baden-Württemberger in einem Interview. »Wir haben uns geschworen, keine Personaldebatten vom Zaun zu brechen«, erklärte Maurer seinen offenbar wiederholbaren Ausbruch im ND-Gespräch. In der Partei werde ein »Burgfrieden« gebraucht, weil sie demnächst drei Landtagswahlen zu bestehen habe. Einer der Gründe, warum die LINKE von vielen nicht gewählt werde, sei deren Zerstrittenheit. »Wenn das so ist«, so Maurer, »leistet jede und jeder, der dazu beiträgt, dass wir weiter als zerstritten gelten, einen Beitrag zu kommenden Wahlniederlagen.«

Eine Jacke, die sich vermutlich Sachsen-Anhalts Parteichef Matthias Höhn nicht nur wegen der kürzlichen Wahlergebnisse der Linkspartei in seinem Land kaum anziehen dürfte. Der drohte gestern in der »Süddeutschen Zeitung« als Replik auf Maurers Attacke gar mit seinem Rückzug aus dem geschäftsführenden Parteivorstand. Für einen solchen Führungsstil stehe er nicht zur Verfügung, erklärte Höhn. Die Lage werde nicht dadurch besser, dass die Landesvorsitzenden pampig von der Seite angegangen würden. »Wenn ein kooperativer Stil nicht mehr gewünscht wird«, so Höhn, »dann werde ich meine Konsequenzen daraus ziehen.«

Höhn steht damit nicht allein. Nicht nur, dass Maurers Co-Parteibildungsbeauftragte Halina Wawzyniak via Internet auf Distanz zu ihrem »Amtsbruder« ging und erklärte: »Redeverbote passen nicht zu meinem Verständnis einer offenen und pluralistischen Partei, nicht zu meinem Verständnis von Demokratie.« Auch Schatzmeister Raju Sharma ist sauer – »ein Parteibildungsbeauftragter muss anders agieren, so spaltet er die Partei« – und spielt mit dem Gedanken, ähnliche Konsequenzen wie Höhn zu ziehen, will aber die Entwicklung in der LINKEN bis zur nächsten Vorstandssitzung noch beobachten. »Meine Erwartung, dass wir versuchen, konstruktiv zusammen und nicht gegeneinander zu arbeiten, wird zumindest durch die Praxis immer wieder in Frage gestellt«, erklärte er gegenüber ND.

Thüringens Fraktionschef Bodo Ramelow schüttelt zu all dem nur den Kopf. Er sei ratlos, bekannte er im ND-Gespräch, sprach von Scheindebatten, schlechter Performance und menschlich deplatzierten Zwischenrufen. Es habe in der Partei klare Zielvorstellungen und eine Zeitschiene gegeben, die im Erfurter Programmparteitag im Herbst münden sollen. »Wir haben keinen Grund und keine Zeit, jetzt über Personal zu diskutieren«, erklärte Ramelow. Nach Verabschiedung des Programms gehe es um Evaluierung der Führungsstruktur, um Strategien von gesellschaftsverändernder Wirkung. Dann erst sei die Zeit für Personaldebatten gekommen. Ramelow kritisierte Gysis Bemerkung über eine mögliche Rückkehr Lafontaines, bei der dieser »ohne Not von einer Notsituation« gesprochen habe, als verwirrungsstiftend.

Das muss auch Parteichefin Gesine Lötzsch zeitweilig so empfunden haben. Doch gegenüber dpa erklärte sie gestern, Gysi habe seinen Fehler eingeräumt – »und damit ist die Sache auch beendet«.

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