Vergabegesetz mit Pflicht zu Tariftreue
Thüringen beschließt Regelungen für öffentliche Aufträge / Kritik an Regierungskompromiss
Erfurt (dpa/ND). Um an öffentliche Aufträge zu kommen, müssen Thüringer Unternehmen in mehreren Branchen künftig Tariftreue nachweisen. Das sieht das am Freitag beschlossene Vergabegesetz vor. Redner der Regierungskoalition von CDU und SPD bezeichneten es als Kompromiss, das nicht alle Wünsche erfüllen könnte. »Es ist nicht der schönste Schwan, aber auch nicht das hässlichste Entlein«, sagte der CDU-Abgeordnete Michael Heym. Die Koalitionsfraktionen hätten dabei erst einmal ihre »ziemlich unterschiedlichen Positionen« auf einen Nenner bringen müssen.
Nach Ansicht von Wirtschaftsminister Matthias Machnig (SPD) zeigte die Koalition bei diesem Gesetz »entgegen den Unkenrufen Handlungsfähigkeit«. Die CDU hatte entgegen dem ursprünglichen Entwurf des Wirtschaftsministeriums unter anderem durchgesetzt, dass Gleichstellungsförderung und Ausbildung nur bei Betrieben mit mindestens 26 Beschäftigten als Kriterium bei Vergabeentscheidungen herangezogen werden könnten.
Der Grünen-Abgeordnete Dirk Adams kritisierte ebenso wie der Linkspartei-Abgeordnete Dieter Hausold, dass das Gesetz in diesem Punkt praktisch sinnlos sei, da 91 Prozent der Thüringer Betriebe kleiner seien. Auch Sozialministerin Heike Taubert (SPD) hatte noch am Donnerstag die Abschwächung kritisiert. Sie sei enttäuscht, dass Kriterien wie Ausbildung und Frauenförderung so stiefmütterlich behandelt würden. Auch die Thüringer Gleichstellungsbeauftragte und ehemalige CDU-Landtagsabgeordnete Johanna Arenhövel sagte: »Wir bleiben da dran.«
Tariftreue müssen Betriebe für einen Zuschlag künftig vor allem in den Branchen Bau, Pflege, Sicherheitsdienstleistungen, Abfallwirtschaft, einigen Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen sowie Wäschereien nachweisen. Ökologische Kriterien können nur dann eine Rolle spielen, wenn sie in sachlichem Zusammenhang mit dem Auftrag stehen. Adams kritisierte, dass solche Kriterien aber nicht nur »mögliche Nettigkeiten« sein dürften.
Der SPD-Abgeordnete Wolfgang Lemb sagte, dass nur derjenige, der kompromissfähig sei, auch politikfähig sei. Die FDP kritisierte das Gesetz. »Was lange währt, bleibt schlecht«, sagte der Abgeordnete Thomas Kemmerich. Allerdings enthielt sich die FDP ebenso wie LINKE und Grüne bei der Schlussabstimmung, so dass das Gesetz mit den Koalitionsstimmen ohne Nein-Stimmen angenommen wurde. Hausold hatte zuvor erklärt, dass das Gesetz aus Sicht seiner Fraktion in die richtige Richtung, aber nicht weit genug gehe.
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