Die Bilder hinter den Bildern
Was man über den NATO-Krieg gegen das Gaddafi-Regime selten zu sehen bekommt
»Wir unterstützen die Libyer, damit sie in einem politischen Prozess über die Zukunft ihres Landes endlich selbst entscheiden können«, hatte der deutsche Außenminister Guido Westerwelle zur Begrüßung seiner Gäste gesagt. Hinter dem Satz konnten sich wahrlich alle Rebellen-Unterstützer versammeln. Doch danach schieden sich die Geister wieder. Deutschland setzt auf eine politischen Lösung, ohne zu ahnen, wie die aussehen soll. Franzosen und Briten wollen die Militärschläge verschärfen, der NATO-Generalsekretär fordert mehr für den Erdkampf geeignete Jets. Die haben eigentlich nur die US-Amerikaner. Die wollen sich aber nicht auf einen dritten Kriegsschauplatz locken lassen. Italien und Katar fordern, die libyschen Rebellen für ihren bislang nicht so erfolgreichen Kampf gegen den Diktator Gaddafi mit modernen Waffen auszurüsten. Und in der Tat, wer sich die TV-Berichte aus Rebellenland anschaut, gewinnt den Eindruck, dass die Kämpfer nur Schrott in Händen halten, den sie in Gaddafis Kasernen erbeutet haben. Fragt sich zunächst, wieso die libysche Armee im Osten des Landes nur Museen unterhielt. Vor allem Fliegerabwehr-MG sind zu sehen und RPG 7, die schon lange nicht mehr den Namen »Panzerschreck« verdienen.
Man sagt uns, dass die vielen Freiwilligen nicht einmal mit diesen »Steinschleudern« umgehen können. Seltsam. In Gaddafis Libyen gab es die Wehrpflicht. Alle Männer zwischen 18 und 35 Jahren mussten zur Armee. Und dann soll es auf Rebellenseite nur Tölpel geben, die mit Panzerfäusten in die Wüste oder in den Himmel schießen? Warum machen die das? Um die richtigen Fotos zu liefern?
Wer führt wirklich den militärischen Kampf gegen das alte Regime? Die NATO aus der Luft. Mit Bombern, Raketen und Aufklärern. Und am Boden? Insider sprechen davon, dass aus dem Aufstandszentrum Bengasi ein 1200 Mann starker Verband befehligt wird, der aus intakten militärischen Einheiten der früheren Armee besteht. Um das zu verifizieren, müssten Journalisten an die Front – was auf beiden Seiten verboten ist.
Beide Seiten fahren inzwischen neue »Kavallerien« auf. Mit kleinen Pic-up-Lastwagen »reiten« zivil Gekleidete Attacken. Woher kommen die Hunderte zumeist nagelneuen Geländewagen? Und wer hat den Aufständischen diese motorisiert-flexible Schwarmtaktik beigebracht? Vielleicht jene, die so gar nicht landestypisch ausschauen und jungen Leuten die Funktion moderner Waffen einbläuen. Es gibt weltweit reichlich Contractoren. Auf diese privatwirtschaftlich organisierten »Sicherheitsdienstleister« können die CIA und andere westlichen Dienste – vorzüglich die britischen – jederzeit zugreifen.
Ja aber, so heißt es, die Rebellen haben gar keine Kommunikationsmöglichkeiten. Unsinn! Bereits vor dem Aufstandsbeginn wurden verdächtig viele Satellitentelefone ins Land geschmuggelt. Und seit Anfang des Monats funktioniert im Rebellenland auch wieder das von Gaddafi lahmgelegte Mobilnetz. Dank der »Privatinitiative« eines US-Geschäftsmannes.
Wenn man sich diverse im Internet verfügbare Videoclips genau anschaut, dann bemerkt man, dass sich in Sachen Handfeuerwaffen bei den enthusiastischen Freiwilligen ein Wandel vollzieht. Da sind nicht nur die nagelneuen FN-Sturmgewehre zu sehen. Unwahrscheinlich, aber vielleicht möglich, dass die ja noch aus einer belgischen Lieferung stammen. Doch woher kommen die Massen an Munition für dieses und andere NATO-Kaliber?
Katar liefert Waffen und Munition. Im Gegenzug besorgt das Emirat den Abtransport des Öls, das im Bereich der Aufständischen gefördert wird – täglich 100 000 Barrel, trotz des Krieges. Doch auch andere Transportwege für den Nachschub an die Rebellen gibt es. Offiziell hält sich Ägypten raus aus dem Konflikt im Nachbarland. Inoffiziell gehen gerade über die gemeinsame Landgrenze Waffentransporte. Was wiederum bedeutet, dass die USA sie steuern – so wie fast alles, was militärisch in Kairo geschieht.
Im US-Sender ABC äußerte Ex-US-Präsident Bill Clinton seine »persönliche Meinung«, als er sich für Waffenlieferungen an die Rebellen stark machte. Auch wenn er nicht immer mit seiner Gattin übereinstimmt – die US-Außenministerin und ihr französischer Kollegen Juppe betonten bereits Ende März: »Nach unserer Interpretation hat die jüngste UN-Resolution das totale Waffenembargo für Libyen aufgehoben. Es könnte legale Waffenlieferungen geben, wenn sich ein Staat dafür entscheiden sollte.« Nicht anders sehen das etwa der britsche Außenminister und seine spanische Kollegin.
Dass wir längst nicht mehr über die bloße Möglichkeit von Nachschublieferungen reden, bestätigte der militärische Führer der Rebellen, General Abdulfattah Junis, gegenüber dem Satellitensender Al-Aan. Die Waffen kämen aus »freundlich gesinnten Staaten«, doch es sind nur leichte und nicht genug. Das stimmt wohl, die USA haben aus ihrem Eigentor bei der Belieferung antisowjetischer Rebellen in Afghanistan gelernt. So wird man das militärische Patt zwischen Rebellen und NATO sowie den Gaddafi-Soldaten und -Söldnern nicht auflösen. Gaddafi muss gehen – sicher. Es fragt sich aber, ob man dazu EU-Militär oder besser politischen Verstand einsetzt.
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