CDU und DKP gegen Nazi-Bürgermeister
Diebstahl? Zwei Gladbecker Kommunalpolitiker entwenden Foto aus städtischer Ahnengalerie
»Ratsherren entwenden Foto«, lautete in diesen Tagen die Schlagzeile in der Gladbecker Lokalpresse. Und als Täter wurden ausgemacht: Jürgen Zeller (CDU) und Gerhard Dorka (DKP), beide Mitglieder des Rates der 75 000-Einwohner-Stadt im Norden des Ruhrpotts. Doch entwendeten die beiden nicht irgendein Foto – sondern das Porträt von Ex-Oberbürgermeister Dr. Bernd Hackenberg, dessen Konterfei im Flur des Gladbecker Rathauses zu hängen pflegt.
So wie die Porträts aller bisherigen Stadtoberhäupter. Das Pikante daran: Hackenberg amtierte von 1932 bis 1945; zunächst gewählt als Zentrums-Mann, wechselte er 1933 die Partei, firmierte fortan als Nazi und brachte es zum SS-Untersturmführer. »Hackenberg hat schon 1932 jene Judendiskriminierungen propagiert, die Hitler später als Reichskanzler umsetzen sollte«, ärgert sich der DKP-Ratsherr Dorka. Nur so ließe sich erklären, dass Hackenberg nach der Machtübernahme der Nazis »überhaupt im Amt bleiben durfte«.
Als vor rund zehn Jahren die »Ahnengalerie« im Gladbecker Ratshaus etabliert wurde, gab es durchaus eine Debatte, ob man für die Jahre 1932 bis 1945 eine Lücke lassen sollte. Man entschied sich dagegen. Doch der Beschluss, wenigstens ein erklärendes Faltblatt zur Person Hackenberg zu verfassen und in Umlauf zu bringen, wurde nie umgesetzt.
»Zur Zeit suspendiert« – statt des Fotos hing plötzlich ein Zettel im Bilderrahmen. Dabei gilt CDU-Ratsherr und Mittäter Jürgen Zeller als durchaus nicht links. Doch ist er durch einen Wirtschaftsskandal geschwächt. Kurzum: Einen Karriereknick muss er nicht mehr befürchten. Zur Aktion verabredet hatten die beiden Ratsherren sich nach einer Ausschusssitzung. Motto: »Lass uns das Foto abhängen« (Dorka) – aber öffentlichkeitswirksam am Rande der Ratssitzung. Stadtoberhaupt Ulrich Roland unterbrach denn auch die Beratungen. Und verkündete das Verschwinden des Fotos.
»Es war eine Einzelaktion zweier Ratsherren, nicht von DKP und CDU«, betont Dorka. Das Ziel: »Das Bild muss weg!« Eine Begleittafel sei winzig und nichts sagend. Derweil Hackenberg auf dem Foto freundlich und harmlos wirke. »Freundlich und harmlos«, so Dorka, »das ist der Eindruck, der bleibt!« Am Tag darauf verfassten die beiden Politiker eine Art »Bekennerschreiben«. Das Foto sei eine »unerträgliche Provokation«, heißt es darin. Doch sie vernichteten das Abbild nicht, übergaben es vielmehr den städtischen Entsorgungsbetrieben – wohl wissend, dass es seinen Weg zurück ins Ratshaus finden würde. Umstritten ist das Foto allemal – über alle Parteigrenzen hinweg. Gleichwohl, in Gladbeck mahlen die Mühlen langsam. Gerade wenn es um Vergangenheitsbewältigung geht. Erst im Dezember letzten Jahres wurde Adolf Hitler die Ehrenbürgerschaft aberkannt.
»Wir wollten der Hackenberg-Debatte Schwung geben«, erklärt Gerhard Dorka. Sein Vorschlag: Bis zu einer endgültigen Entscheidung solle das Bild in der Ablage verschwinden. Doch inzwischen hängt der Nazi-OB wieder – bis auf Weiteres zumindest. Zwischen Michael Jovy, Bürgermeister von 1919 bis 1932, und Paul Schulte, der nach dem Krieg von den Briten als kommissarischer OB eingesetzt wurde.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.