Mensch? Gespenst
Sophia Schama in der Städtischen Galerie Dresden
Der Kunstmarkt kann sich unsinnig gebärden, Verkaufssummen aufschwellen lassen und riesige Shows veranstalten. Die Weihe aber erhalten seine malenden und bastelnden Markendesigner erst durch die Ausstellung in einem öffentlichen Museum. Diese wirkungsvollste Art der Reklame für ein Produkt hat zudem den Vorteil, staatlich subventioniert zu werden.
Dort, wo jahrzehntelang voller Skrupel und auch auf Irrwegen darum gerungen wurde, die Kunst ins rechte Licht zu rücken, haben wir jetzt freilich Schaufenster, in denen die Galerien ihre Ware auslegen. Für die Hefe und den Bodensatz der Gesellschaft gibt es Küchen- und Bädergalerien in den Einkaufstempeln der Gewerbegebiete, für den Schaum und die Crème sind die Kunstgalerien in den Musentempeln der Innenstadt bestimmt. Und die Form folgt der Funktion.
Zur Eröffnung der Gemäldegalerie Neuer Meister im Dresdner Albertinum war diese Warenauslage der Galeristen als Benefizveranstaltung zeitgenössischer Künstler getarnt. Der Titel dieser Eröffnungsausstellung »Das Versprochene Land« wurde entlehnt einer Bilderreihe der Malerin Sophia Schama. Die Szenerie beherrscht ein ausgeweidetes Glashaus, um dessen verrottetes Skelett sich allerlei räumlich unmotivierte Strichlagen und Übermalungsschichten anreichern. In der Städtischen Galerie im Landhaus ist nun die erste Museums-Show der Künstlerin zu sehen.
Auch die anderen Tafeln assoziieren Landschaften oder zumindest denaturiertes Gelände. Das Geschlinge und Rohrwerk dieser Ausblicke erinnert in seiner Struktur an neuzeitliche Bürgerkriegsansichten aus Jugoslawien und Libanon. Kein Mensch ist auf dieser bunten Formlosigkeit zu sehen, auch scheint sie kaum für dessen Augen bestimmt. Es ist ein Gelände nach der universalen Katastrophe, wie es Ernst Jünger 1977 in »Eumeswil« beschrieben hat: »Die Schwindlinge, deren Treiben Attila in der Großen Deponie studierte, hausten dort in ausgescharrten Höhlen; sie waren fast unbekleidet und waffenlos. So leben Pilze von fremden Chlorophyll (...) Sie schienen kaum zu leben, eher traumhaft zu dämmern, wie damals, bevor Prometheus ihnen das Feuer spendete. Der Erbe des Letzten Menschen ist nicht der Primitive, sondern das Gespenst.«
Es gibt eine Art, Ölfarbe auf Leinwand zu applizieren, die man besser mit dem Begriff Artwork bezeichnet, als sie Malerei zu heißen. Machwerk im Unterschied zum Kunstwerk in Heideggers Definition und Artwork im Sinne von ästhetischer Ausstattung von Musikclips und Schallplattenhüllen.
Auch der gestylte Katalog mit transparentem Schutzumschlag, polyglotten Unsinn in Deutsch und Englisch enthaltend, zeigt diese technoide Coolness. Er funktioniert wie das marktschreierische Plakat eines Wanderzirkus, das in bunten Bildern Elefanten und Tiger verspricht, während dann doch nur Ziegen und Esel durch die Manege getrieben werden.
Es ist ärgerlich, dass die Städtische Galerie durch diese Ausstellung mit den Kunstsammlungen in einen überflüssigen Wettstreit um die prägende Münzstätte neuer Künstlermarken tritt. Die vorangegangenen Themen- und Gruppenausstellungen haben viel zur Klärung des künstlerischen Spektrums beigetragen, was eine solche monomanische Verklärung wieder verwischt. Es hätte sich ein anschauliches Forum entwickeln können für einen Diskurs, den die derzeitige Leitung der Staatlichen Kunstsammlungen entweder aus doktrinärer Überzeugung oder aus kulturpolitischem Opportunismus nicht führen möchte.
Die öffentlichen Kunstorte sollten nicht Werkzeug der Marktverzerrung sein, eher zur Entzerrung beitragen. Zwischen Seichtigkeit und Verstiegenheit wird doch irgendwo noch etwas Gediegenes zu entdecken sein, das Lebenskraft in sich selbst trägt. Lässt sich die zeitgenössische Kunst nur noch auf dem Substrat literarischen Gewäschs aufziehen? Und wie lange lassen sich solche Artefakte künstlich beatmen? Irgendwann kommt dieser »Boomerang« bestimmt einmal zurück. Wohl dem, der dann den Nischel eingezogen hat.
»boomerang. sophia schama malerei«, Katalog in dt./engl. im Verlag für moderne Kunst, Städtische Galerie Dresden, bis 15. Mai
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