Vergessenes Seenland
Süd-Mittelfranken war einst eine beliebte Ferienregion. Jetzt steckt die Touristikbranche in der Krise
Gunzenhausen/Ramsberg. Seit Bilder von Blaualgen-Teppichen auf dem fränkischen Altmühlsee die Runde machten, hat das Fränkische Seenland an Attraktivität eingebüßt. 2010 verzeichnete die Region nur noch 829 000 Übernachtungen – 5,6 Prozent weniger als 2009. Die einstige Boom-Region ist zum Sorgenkind des fränkischen Tourismus geworden.
Den Blaualgen haben Bayerns Umweltminister Markus Söder (CSU) und die Tourismusmacher der Region inzwischen den Kampf angesagt. Mit einem ganzen Maßnahmenbündel soll künftig das Einschwemmen von Düngemitteln in Altmühl und Altmühlsee verhindert werden – etwa mit der Ausweisung von Schutzstreifen beiderseits des Gewässers.
Bis dies wirkt und der Altmühlsee im Sommer wieder algenfrei ist, können nach Ansicht von Hans-Dieter Niederprüm, dem Geschäftsführer des Tourismusverbandes Fränkisches Seenland, aber durchaus noch ein paar Jahre vergehen. Niederprüm und anderen Tourismus-Machern ist aber auch klar: Das Algenproblem hat die Krise des Fränkischen Seenlandes zwar sichtbar gemacht, die eigentlichen Probleme der Urlaubsregion liegen aber tiefer: Das Seenland ist touristisch in die Jahre gekommen.
Im Reisebüro nicht buchbar
Angegraute Ferienwohnungsfassaden, öde Café-Terrassen, verwitterte Hinweisschilder in den Orten am See – eine einladende Urlaubsregion sieht anders aus. Den Modernisierungsstau hat auch der aus Mittelfranken stammende Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erkannt: »Mit einem Angebot wie vor 25 Jahren werden wir den touristischen Ansprüchen von heute nicht gerecht«, sagte er kürzlich. Nach Einschätzung von Andrea Mogl, Betreiberin der Pension Zottmann am Ortsrand von Ramsberg, ist bei manchem Gastronomen im Seeland die Begeisterung der Anfangszeit verflogen. Wenige sähen noch im Tourismus eine Zukunft für sich und ihre Kinder.
»Hier in Ramsberg gibt es keinen, der seine Kinder zum Koch ausbilden lässt oder auf eine Hotelfachschule schickt. Die Kinder machen alle was anderes«, berichtet Mogl. Auch sei kaum ein Gastronom zu größeren Investitionen bereit, obwohl manche es sich leisten könnten. Die ersten hätten ihre Betriebe schon wieder zugemacht. Mogl selbst hat vor vier Jahren ihren Cafébetrieb eingestellt – es hatte sich nicht mehr gelohnt.
Dass einige Anbieter ihren Fe-rienwohnungsbetrieb einstellen, weiß auch Niederprüm. Der Tourismusmann sieht aber auch eine gegenläufige Entwicklung: »Es gibt einige, die geben auf. Es gibt aber auch junge Leute, die bauen den Betrieb richtig groß aus – es gibt hier einen Trend zur Professionalisierung.« Was die Region bräuchte, seien ein paar Drei- bis Vier-Sterne-Hotels, am besten mit Wellnessangebot in einer Dimension, dass dort auch Busgruppen Platz fänden. Für diesen wachsenden Markt habe das Seenland einfach nichts zu bieten. »Das Problem ist auch, dass das Seenland im Reisebüro überhaupt nicht buchbar ist«, meint Niederprüm.
Seehofer weiht Weg ein
Der Verbandschef ist dennoch optimistisch: Im Umfeld eines etwas konstruiert wirkenden Jubiläums – vor 25 Jahren begann das Aufstauen des Brombachsees – will Niederprüm seine Region wieder in die Köpfe der Urlauber bringen. Ein neues Leitbild soll klarstellen, dass das Fränkische Seenland nicht nur Bade- und Wassersportrevier ist. Einen neuen Rundwanderweg, den »Seenländer«, soll Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) bei der Jubiläumsfeier Ende Juli einweihen.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.