Verbotspolitik vertieft Spaniens Krise
Stürzt die Regierung Zapatero über den Bannspruch gegen baskische Parteien?
Auf den Bildu-Listen hatten sich Kandidaten der sozialdemokratischen baskischen Solidaritätspartei (EA) und der Alternatiba, einer Abspaltung der baskischen Vereinten Linken (IU), gemeinsam mit Unabhängigen um Mandate in den regionalen und kommunalen Parlamenten bewerben wollen. Durch das Urteil wurde die Verbotspolitik der spanischen Regierung auf Parteien und Listen ausgeweitet, an deren Distanz zur baskischen Untergrundorganisation ETA nie gezweifelt wurde. Die EA war im Baskenland jahrelang Partnerin der PNV in einer Regierungskoalition. Sogar im jüngsten Urteil wird eingeräumt, dass die Partei die ETA stets »klar und strikt« verurteilt habe. In dem Richterspruch heißt es jedoch, die unabhängigen Kandidaten seien »Strohmänner« der 2003 verbotenen Partei Batasuna (Einheit), die das Bündnis Bildu im Auftrag der ETA dirigiere. Durch Bildu solle »Batasuna/ETA eine Anwesenheit in den lokalen Institutionen« ermöglicht werden.
Unbeachtet blieb, dass sich auch Batasuna längst von der Gewalt der ETA distanziert hat und das neue spanische Parteiengesetz erfüllt. Das Gericht hat es nicht einmal für nötig erachtet zu beweisen, dass die unabhängigen Kandidaten zu Batasuna gehören. Fest steht, dass sie nie für die Partei oder deren Vorgänger kandidiert haben. Solche Kandidaturen waren bisher stets als Hauptgrund für das Verbot von Parteien oder Listen angeführt worden. Jetzt heißt es, im Falle Bildu habe Batasuna eben besonderen Wert darauf gelegt, »saubere« Kandidaten zu finden. Es handele sich um eine ETA-Strategie, sie aus »taktischen« Gründen die Gewalt ablehnen zu lassen.
Immerhin sieben der 16 Richter schlossen sich dieser Meinung nicht an. Die Minderheit hält die Abkehr von der ETA-Gewalt für aufrichtig, sieht keinen Verbotsgrund und betrachtet das Urteil als verfassungswidrig. Bildu kündigte denn auch umgehend Einspruch vor dem Verfassungsgericht an und will notfalls vor den Europäischen Gerichtshof ziehen. Das Urteil komme einem Wahlbetrug gleich, erklärte ein Sprecher des Bündnisses. Das Verfassungsgericht muss bis zum Beginn des Wahlkampfes am Sonnabend über den Einspruch entscheiden.
Gut möglich, dass die Verfassungsrichter das Verbotsurteil kassieren. Denn die Folgen für die sozialdemokratische Minderheitsregierung Spaniens könnten gravierend sein. Nur mit Hilfe der PNV-Stimmen hatte sie den Staatshaushalt für dieses Jahr im Madrider Parlament durchgebracht. Die große baskische Partei will den neuerlichen Angriff auf die Demokratie jedoch nicht hinnehmen. Parteichef Iñigo Urkullu erklärte am Dienstag am Rande eines Gesprächs mit Zapatero, der Regierungschef könne bei »zukünftigen Initiativen« nicht mehr auf die PNV zählen. Denn es waren Regierung und Generalstaatsanwaltschaft, die das Bildu-Verbot beantragt hatten. Auch Urkullu hofft, dass das Verfassungsgericht das Urteil außer Kraft setzt.
Andernfalls könnte es in Spanien bald vorgezogene Neuwahlen geben. Und das wäre angesichts der wirtschaftlichen Situation mit fünf Millionen Arbeitslosen und einem hohen Haushaltsdefizit fatal. Ohnehin gilt das Land als nächster Absturzkandidat der Euro-Region.
Bereits im März hatte der Oberste Gerichtshof die neue baskische Partei Sortu (Aufbauen) für illegal erklärt, weil die Richter darin eine Nachfolgeorganisation von Batasuna sahen. Über eine Verfassungsklage gegen dieses Verbot wird vermutlich erst nach den Mai-Wahlen entschieden werden.
Bildu wäre mit großer Sicherheit in einer der drei Provinzen der Autonomen Gemeinschaft Baskenland zur stärksten Fraktion geworden. In der gesamten Autonomen Gemeinschaft traut man dem Bündnis etwa 20 Prozent der Stimmen zu. Es ist eindeutig, dass durch ein Verbot der Wählerwille verfälscht würde. Schon 2009 hatte der Ausschluss der baskischen Linken dazu geführt, dass die PNV als stärkste Partei erstmals seit dem Ende der Diktatur die Regierung im Baskenland abgeben musste. Seither regieren dort die spanischen Sozialdemokraten. Die werfen der PNV ihrerseits taktische Spielchen vor: Bei ihrem Protest gegen das Verbotsurteil spekuliere sie darauf, dass potenzielle Bildu-Wähler zur PNV überlaufen.
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