Saudische Frauen dürfen nicht wählen
Trotz Menschenrechtsverletzungen und fehlender Demokratie sitzt die Königsfamilie fest im Sattel
Ein Häuflein Aufrechter legt sich mit dem Geheimdienst Saudi-Arabiens an. Vorneweg Mohammad Al Qahtani, Wirtschaftsprofessor, und drei seiner Helfer. Sie sind Mitglieder der Vereinigung für politische und zivile Rechte (ACPRA), einer saudischen Menschenrechtsorganisation. Bei der Kammer für Beschwerden können Behörden verklagt werden. Dieses Verfahrensrecht hat Saudi-Arabien vor seiner Aufnahme in die Welthandelsorganisation 2005 eingeführt. Die Aktivisten wollen gegen willkürliche Verhaftungen durch saudische Sicherheitskräfte vorgehen. 160 friedliche Regimekritiker wurden seit Februar verhaftet, berichtete kürzlich die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch.
Seit einigen Monaten kommen die Aktivisten in ein Hochhaus in Riads Innenstadt, um Thamer Al Kadhar, Sohn eines ACPRA-Mitgliedes, aus der Haft zu bekommen – bisher vergebens. »Wenn die verklagte Behörde zweimal keinen Vertreter entsendet, muss die Kammer entscheiden«, erklärt Qahtani. Vom Geheimdienst taucht aber niemand auf. »Einmal hat die Kammer dem Geheimdienst angeblich das falsche Prozessdatum geschickt«, sagt Qahtani.
Es ist eine Sisyphusarbeit, die er als einer der wenigen Oppositionellen verrichtet. Viele westliche Zeitung zitieren Qahtani, aber in Saudi-Arabien ist er weitgehend unbekannt. Qahtani hat in den USA studiert und acht Jahre dort gelebt. Ihm schwebt eine westliche Demokratie für Saudi-Arabien vor.
Während autoritäre Systeme in der Region bröckeln, steht das vermeintlich wackligste Regime wie ein Fels in der Brandung. Das saudische Königshaus predigt im eigenen Land den reinen Islam. Im Ausland feiern die etwa 5000 Prinzen und Prinzessinnen, dass sich die Kreditkarten biegen. Gewählte Institutionen von Gewicht werden in einem der schlimmsten Polizeistaaten nicht zugelassen. Trotzdem ging keiner am 11. März zum geplanten »Tag der Wut«.
Das Fehlen von Protesten lässt sich auch durch den Mythos erklären, den sich das Land geschaffen hat: »Gott hat unserem Land das Öl gegeben, und wir haben unser Land nach dem Willen des Herrn eingerichtet.« Dafür steht »Der Wächter der zwei heiligen Moscheen« – König Abdullahs offizieller Titel.
Das Öl ermöglicht zudem Wohlstand: Es gibt keine Einkommensteuer; Bildung und Krankenversorgung sind kostenfrei. Brot kostet 20 Cent, der Liter Benzin 8 Cent.
Der König hat in den vergangen Monaten alle Entscheidungen mit religiösen Motiven begründet und sie von den Geistlichen, die er bezahlt, absegnen lassen. Öffentliche Proteste wurden verboten. Der Großmufti, oberster Geistlicher des Landes, sagte, der Islam verbiete es, den König zu kritisieren.
Die Opposition gibt sich noch religiöser. Beobachter gehen davon aus, dass die in London ansässige islamistische Gruppe Saad Al-Faqihs, die laut USA Al Qaida unterstützen soll, die Facebook-Seite für den »Tag der Wut« eingerichtet hat. Sie hat das nicht zugegeben.
Kürzlich begann die Wählerregistrierung für die Kommunalwahlen im September. Als solche Wahlen 2005 erstmals stattfanden, sprach das Regime von ersten Demokratisierungsschritten. Von 1,9 Millionen Wahlberechtigten in Riad hatten sich aber nur 140 000 registrieren lassen. Meist wurden Kandidaten gewählt, die das religiöse Establishment auf »Goldenen Listen« empfohlen hatte.
Auch diesmal werden Frauen nicht an den Wahlen teilnehmen dürfen. Der Chef der Wahlkommission sagte, seine Behörde sei noch »nicht bereit« dafür. Bis 2001 hatten saudische Frauen noch nicht einmal Ausweisdokumente. Sie wurden namentlich, aber nicht mit Lichtbild, in den Ausweisen ihrer Väter und Männer aufgeführt. Heute haben sie eigene Ausweise.
Der Menschenrechtler Qahtani lässt sich jedoch nicht entmutigen. Er hat demnächst wieder einen Termin bei der Beschwerdekammer und glaubt, diesmal den Sohn seines Kollegen freizubekommen. »Irgendwann werden denen die Ausreden ausgehen«, ist er überzeugt.
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