Kapitalsperren als Notmaßnahme

Asiatische Entwicklungsbank beschäftigt sich mit einer linken Forderung

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Die großen Staaten Asiens denken angesichts der anhaltenden Devisenflut über Kapitalsperren nach.

Umgerechnet 6000 Milliarden Dollar haben die Staaten in Asien allein an Devisenreserven angehäuft. Dazu strömen immer mehr Direktinvestitionen und Finanzkapital in die Region. Doch das könnte für eine Reihe von Volkswirtschaften schlimm enden, warnte die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) am Rande ihrer Jahrestagung, die am Freitag in Hanoi zu Ende ging.

Die Geldflut auf dem Kontinent bereitet verschiedentlich Sorgen. Am heikelsten ist die Frage: Wohin mit dem vielen Geld? Dieses Problem bewegte Banker und Politiker auf der ADB-Tagung in Vietnam. Erst im vergangenen Jahr hatten 13 Staaten einen Topf mit 120 Milliarden Dollar für länderübergreifende Investitionen gefüllt. Dieser wurde jedoch nach Medienberichten bislang nicht angezapft. Die Staaten suchen aber weiter nach neuen Anlagemöglichkeiten für ihre Devisen. Nun soll ein eher kleiner Infrastrukturfonds der ADB mit einer halben Milliarde Dollar erste Schritte vorangehen und ein kaum größerer Fonds soll Anleihen von Unternehmen garantieren, um Firmen frisches Kapital zuzuführen.

Ob allerdings aus den politischen Absichtserklärungen handfeste Taten erwachsen, bleibt offen. Asiens Staatengemeinschaft ist außerhalb der Konferenzsäle ebenso uneinig und lobbygetrieben wie die Gruppe der 20 größten Industrie- und Schwellenländer (G20) oder die Euro-Länder. Immerhin zeigt sich Asiens wirtschaftspolitische Klasse sensibel gegenüber der Geldschwemme. »Wir müssen das internationale Währungssystem fixieren«, forderte ADB-Präsident Haruhiko Kuroda vollmundig. Laut dem bankennahen Institute of International Finance dürfte der private Kapitalfluss nach Asien von umgerechnet 600 Milliarden Dollar 2009 auf etwa 950 Milliarden in diesem Jahr ansteigen; für nächstes Jahr wird sogar das Überschreiten der Billionengrenze prognostiziert. Dabei handelt es sich nicht um die ebenfalls billionenschweren Warenlieferungen, sondern um mehr oder weniger spekulative Geldanlagen oder Investitionen. Solch »heißes Geld« aus Europa, Japan und Nordamerika hatte 1997 schon einmal eine Asienkrise ausgelöst – die folgende Kapitalflucht führte den Kontinent an den wirtschaftlichen Abgrund.

Einzelne Länder wie Südkorea versuchen derzeit, die Kapitalflut etwa durch Steuern oder kurze Haltefristen für bestimmte Anlageprodukte einzudämmen. Dass dies wohl nicht ausreicht, zeigt ein überraschender Vorschlag der Entwicklungsbank. Im Vorfeld der Jahrestagung warb Vize-Chefvolkswirt Joseph Zveglich für Kapitalsperren, um die Geldflüsse in einzelne Länder einzuschränken – ansonsten eher eine »linke« Forderung. Im April hatte schon der Internationale Währungsfonds für Kapitalsperren geworben und heftige Diskussionen ausgelöst, als er den Ländern Vorgaben dafür machen wollte. »Bis vor Kurzem war dies noch ein Tabuthema, deswegen gibt es noch keine einheitlichen Leitlinien«, versucht Zveglich zu beruhigen. Kontrollen und Sperren sollten nur vorübergehend, sehr gezielt und international abgestimmt eingesetzt werden.

Ansonsten strotzt die Region weiter vor Optimismus. Die ADB erwartet, dass schon 2050 die sieben großen Länder Asiens – China, Japan, Indien, Indonesien, Südkorea, Malaysia sowie Thailand – 45 Prozent des Weltsozialproduktes erwirtschaften werden.

Lexikon

Die 1966 gegründete Asiatische Entwicklungsbank (ADB) mit Sitz in Manila ist eine multinationale Finanzinstitution. Ihre Aufgabe ist es, im Asien-Pazifik-Raum durch Vergabe von Darlehen die wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben und Armut zu bekämpfen. Die ADB zählt aktuell 67 Mitgliedsländer – nicht nur aus der Asien-Pazifik-Region –, die Anteilseigner sind. Japan als größter Anteilseigner stellt traditionell den Präsidenten. ND

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