Rückkehr ins Leben
Worms hat seinen Friedhofsbetrieb in eine Integrationsfirma für Behinderte umgewandelt
Worms. Die letzte richtige Anstellung, die Thorsten Bihn hatte, liegt schon Jahre zurück. Nach einer Gehirnblutung verlor er seine Arbeit als Wachmann beim Werkschutz. Es folgten etliche Bewerbungen und Umschulungen. Sogar einen Staplerschein machte der seit der Erkrankung schwerbehinderte gelernte Maler, um einen Job zu finden.
Lange Zeit blieben alle Bemühungen erfolglos, seit neuestem aber schneidet er Hecken und zupft das Unkraut von den Wegen des Wormser Hauptfriedhofs. Nicht als Aushilfe oder im Rahmen einer »Maßnahme« des Jobcenters, sondern als Angestellter mit unbefristetem Arbeitsvertrag.
Die 70 000-Einwohner-Stadt Worms hat ihren Friedhofsbetrieb in eine Integrationsfirma umgewandelt – eine bundesweit bislang vermutlich einmalige Entscheidung. Bis zum Jahresende sollen zusätzlich zu den bislang 41 Mitarbeitern des Friedhofsbetriebs weitere 15 körperlich oder geistig schwerbehinderte Menschen eingestellt werden – zu den gleichen Konditionen wie ihre nichtbehinderten Kollegen, was einem Monatsverdienst von 1500 Euro brutto entspricht.
Unsichere Rechtslage
»Das Vernünftigste, was man machen kann, ist, Behinderte und Nichtbehinderte auf Augenhöhe zusammenarbeiten zu lassen«, sagt Ralf-Quirin Heinz, Leiter des Friedhofsbetriebs. Künftig zahle der Staat einen Teil der Gehälter, früher habe man denselben Menschen Geld dafür gezahlt, dass sie frustrierende Bewerbungsgespräche führten. Sechs der 15 zusätzlichen Stellen sind bereits besetzt.
Bis zu 70 Prozent der Gehälter können sich Arbeitgeber als Zuschuss über das »Budget für Arbeit« finanzieren lassen. Da es bislang je nach Bundesland unterschiedliche Regelungen dafür gibt, wie lange die Zuschüsse gezahlt werden dürfen, und die rechtliche Situation insgesamt in manchen Details unsicher erscheint, ist die Zahl der Integrationsfirmen in der Bundesrepublik überschaubar. Rund 6000 schwerbehinderten Beschäftigten in Integrationsbetrieben – jeder achte Arbeitsplatz befindet sich in Rheinland-Pfalz – stehen 300 000 Menschen gegenüber, die in Behindertenwerkstätten arbeiten.
Richard Auernheimer, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft Integrationsfirmen, ärgert sich über die nach wie vor unzureichende Zahl von Arbeitsplätzen für Menschen mit Behinderung. »Obwohl alle eigentlich die Lösung kennen, gibt es ein ständiges Hin und Her«, sagt der frühere Sozialstaatssekretär der Mainzer Landesregierung. In Rheinland-Pfalz – neben Niedersachsen eine Vorreiterregion beim Ausbau gewöhnlicher Arbeitsplätze für Schwerbehinderte – ist Worms die erste Stadt mit einer Integrationsfirma in kommunaler Trägerschaft. Die Idee sei den Verantwortlichen schon vor Jahren attraktiv erschienen, berichtet Sozialdezernent Georg Büttler (SPD). Zwei frühere Anläufe mit der Stadtgärtnerei und dem städtischen Bauhof waren jedoch gescheitert.
Auf dem »Heiligen Sand«
Zu den neuen Friedhofsmitarbeitern in Worms, die künftig unter anderem auch für den weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannten mittelalterlichen jüdischen Friedhof »Heiliger Sand« verantwortlich sind, gehört auch Kurt Zimmermann. Schon vor seinem Wechsel in den Friedhofsbetrieb der Stadt war er als Ein-Euro-Jobber mit Gärtnerarbeiten beschäftigt. Doch an Dinge wie bezahlten Urlaub sei nicht zu denken gewesen. »Es ist wunderbar, hier oben zu schaffen«, freut sich Kurt Zimmermann.
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