Beförderungschaos auf Sizilien
Bei der Forstpolizei befehligen 841 »Höhere« gerade mal 14 Untergebene
Auf Sizilien ticken die Uhren anders. Auch in der lokalen Forstpolizei. Die besteht dort aus 855 Personen. Das besondere: 841 Offiziere, Unteroffiziere und Inspektoren und 14 »einfache« Forstpolizisten, die die Anweisungen der anderen ausführen sollten.
Die Forstpolizei – ein hierarchisch organisierter ziviler Dienst, ähnlich wie die »normale« Polizei – hat in Italien wichtige Aufgaben. Sie ist für den Schutz von Natur und Landschaften zuständig und sollte Verbrechen, die auf diesem Gebiet verübt werden, verhindern oder bekämpfen. Sie kontrolliert Wälder, sichtet Brandherde, überprüft das Grundwasser, sucht nach illegalen Müllhalden und Bauten. Sie ist für die 130 Naturreservate des Staates zuständig und die Nationalparks. Kurz: Eine wichtige und keine leichte Arbeit, für die gut organisierte Fachkräfte notwendig sind. So auch auf Sizilien, wo es zwar nicht allzu viele Wälder gibt (und die wenigen, die es gibt, gehen leider jeden Sommer immer wieder in Flammen auf), aber auch sonst viel Arbeit für die wackeren Forstpolizisten und ihre Offiziere.
Nun ergab eine Personalkontrolle, die Regionalpräsident Raffaele Lombardo angeordnet hatte, dass die Struktur der sizilianischen Forstpolizei recht eigenartig ist: Von den 855 Männern und Frauen, die in diesem Ressort angestellt sind, haben 841 einen höheren Dienstgrad – Unteroffiziere, Offiziere und Inspektoren, die alle einen Nettolohn von etwa 2400 Euro erhalten, was für Sizilien ein schon fast fürstliches Gehalt ist. Sehr viel weniger – um 1400 Euro monatlich – verdienen einfache Forstpolizisten. Aber das sind ja auch nur 14. Also 841 Personen befehligen 14! Wie es zu der Situation kam, ist nicht mehr nachzuvollziehen. Aber klar ist wohl, dass die verschiedenen Regionalregierungen mit der Zeit auch den Forstpolizisten Versprechungen gemacht haben – die dann mit einem allgemeinen Beförderungschaos eingelöst wurden.
Nun ist eine solche Art der »Arbeitsvermittlung« auf der Insel nicht neu. Die Stadt Palermo zum Beispiel hat vor fünf Jahren etwa 35 Personen eingestellt, deren alleinige Aufgabe es ist, die Gullys der Stadt zu zählen – und weitere 35, die kontrollieren sollen, ob die Gullys auch wirklich tagtäglich richtig gezählt werden. Das Gehalt ist zwar niedrig – etwa 800 Euro pro Monat – aber in einem Gebiet, in dem die Arbeitslosigkeit so hoch ist, kann sich jeder glücklich schätzen, der eine Festanstellung hat. Die Landesregierung Siziliens hat mit Abstand die meisten Angestellten in Italien: 15 500! Aber man munkelt, dass die Region jeden Monat 100 000 Gehälter zahlt, da es neben den fest Angestellten unendlich viele Berater und Berater von Beratern gibt. Ein Politiker kann – von den Mafiaverbindungen abgesehen – auf Sizilien nur gewählt werden, wenn er über eine möglichst große Klientel verfügt, die er auch irgendwie zufriedenstellen muss. Ein Arbeitsplatz – und sei er noch so schlecht bezahlt – ist das beste Wahlversprechen, das man überhaupt machen kann. Und wenn es keine offenen Stellen gibt, dann werden welche geschaffen, so auch um die Gullys in Palermo zu zählen und fotografieren.
So ist es auch nicht verwunderlich, dass Sizilien über die größte Forstpolizei in Italien verfügt. Zum Vergleich: in der Toskana gibt es 630 Forstpolizisten, im Friaul knapp 300 und im Aostatal, mitten in den Alpen mit unendlichen Wäldern, gerade mal 157. Aber die 855 Förster sind für Sizilien offensichtlich noch nicht genug. Pietro Tolomeo, gerade zum Leiter der dortigen Forstpolizei ernannt, meint, dass er mindestens noch 450 Personen einstellen muss, um gut aufgestellt zu sein. Bleibt abzuwarten, welchen Dienstgrad die »Neuen« erhalten.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.