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Bei Google ganz oben

Warum in Bad Kleinen landet, wer im Internet nach den Befreiungskriegen sucht

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.
Alles begann mit der Recherche zu einem Roman: Im beschaulichen Bad Kleinen (Mecklenburg-Vorpommern) stellt der Familienbetrieb Lexikus »gemeinfreie« Bücher ins Internet. Über die Jahre ist so eine gewaltige, gut aufbereitete Datenbank vergessenen Wissens entstanden.

»Wer eines anderen Warzen zählt, zählt sie ihm ab und sich an«: Inhaltlich mag die Bandbreite im deutschen Aphorismus begrenzt sein, aber manche Kurzweisheit ist einfach zu schön, um vergessen zu werden. Nicht nur die Mecklenburger Volksweisheiten und Aberglaubenssätze, die ein gewisser Dr. Wilhelm Gottfried Beyer in den frühen 1840er Jahren unter den Landeskindern antraf, kann man nun im Internet nachlesen, sondern auch viele ernsthaftere Dinge. Zum Beispiel Theodor Lessings Gedanken zur »Judenfrage« oder selbst schon historische Ausführungen zur Landesgeschichte – im Volltext und kostenlos. All das ist der Verdienst der Familie Herbst aus Bad Kleinen.

Schon 1,1 Millionen Seiten

Zusammen mit Ehefrau Carola und Sohn Hansjürgen hat Steffen Herbst vor Jahren begonnen, »gemeinfreie« Bücher, also Texte, die nicht mehr unter Urheberschutz fallen, weil der Autor länger als 70 Jahre tot ist und sich kein Erbe gekümmert hat, neu herauszugeben – im Internet, aber auch gedruckt. Auf »etwa 1,1 Millionen Seiten« schätzt Herbst das digitale Archiv des Familienbetriebs Lexikus. Darüber hinaus sind rund 120 Titel erschienen, alte, aber auch neue Texte.

Angefangen hat das, erzählt der 54-jährige Steffen Herbst, vor Jahren mit einer Pleite in der Baubranche. Danach, »auch ein bisschen als Therapie«, fing Ehefrau Carola Herbst an, ein Buch zu schreiben. Ein historisches mecklenburgisches Milieu stellte sie sich vor. Bei Recherchen in Bibliotheken, Archiven und Museen seien sie dann auf diese ganzen alten Schätze gestoßen. Was man damit alles machen könnte!

Herausgekommen ist ein gemeinnütziges Geschäftsmodell: Lexikus arbeitet alte Bücher frei für alle auf und kann am Verkauf der Neudrucke verdienen. »Wenn man in einen gemeinfreien Text Arbeit steckt, ihn wissenschaftlich editiert oder ein Vorwort schreibt, entstehen neue Rechte – am Produkt, nicht am Inhalt des Textes«, erklärt Steffen Herbst. In den freien Texten sieht er vor allem einen Dienst am aufgeklärten Weltgedächtnis. Aber natürlich hofft er auch, dass sich Besucher für die Lexikus-Produkte interessieren, etwa für »Septemberfrost«, den zweiten Teil von Carola Herbsts historischem Mecklenburg-Roman »Weiße Geheimnisse«.

15 000 Besucher täglich

Es kommt also darauf an, im Internet viel Besuch zu bekommen. Wie aber stimmt man Suchmaschinen freundlich? »Vergessen Sie Berater – Content ist alles«, sagt Steffen Herbst. Die Suchmaschinen hätten inzwischen ein Sensorium für Qualität. »Schon Bilder einfügen hilft zwar manchmal«, sagt er, aber am wichtigsten sei regelmäßige Pflege.

Das kann man nicht alleine schaffen. Lexikus, sagt Herbst, hat sich ein Netz geschaffen, aus dem viel Unterstützung kommt: »Gebildete Menschen, die in einen sicheren Ruhestand gehen.« Auch mit Bibliotheken sei man in Kontakt, die Texte scannen oder bereitstellen. Und natürlich gibt es heute Texterkennungssoftware, sogar für die »Übersetzung« von Fraktur in moderne Schrift.

Bei einer großen Zahl von Suchbegriffen, besonders oft bei literarisch-historischen Themen, landen etwa Google-Nutzer bei Lexikus. Selbst bei so allgemeinen Suchbegriffen wie »Befreiungskriege« taucht das Familienunternehmen aus Bad Kleinen auf der ersten Seite auf, wer »jüdische Sprichwörter« sucht, bekommt Lexikus sogar als ersten Treffer. Derzeit, sagt Herbst, hat die Seite 15 000 Besucher täglich.

Irgendwann, meint Steffen Herbst, müsste man damit doch auch Geld verdienen können. »Heute kommen wir so rum«, sagt er lachend zum Betriebsergebnis. »Aber ich glaube, wir werden schon beobachtet.« Wie sehr ihn das freut, wird nicht so klar.

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