Berlusconi fürchtet um seine Hochburg

Linker Kandidat Pisapia liegt in Mailand vorn

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.
Am kommenden Sonntag und Montag findet in vielen italienischen Städten die Stichwahl für den Bürgermeister statt. Besonders in Mailand und Neapel scheint die Mitte-Rechts-Koalition regelrecht verängstigt zu sein, denn sie führt auch undemokratische Mittel ins Feld, um die Wähler vielleicht doch noch umzustimmen.

Die Kommunalwahlen vor zehn Tagen waren für Italiens Premierminister Silvio Berlusconi ein furchtbarer Schock. In Neapel gelang es seinem Kandidaten Gianni Lettieri – ein Unternehmer mit unbequemen Freundschaften rund um die organisierte Kriminalität – nicht, die Stadt schon im ersten Wahlgang zu nehmen. Dieses Ergebnis war für viele eine Überraschung. Jetzt muss sich Lettieri auch noch mit dem ehemaligen Richter Luigi de Magistris messen, der für die liberale Partei »Italien der Werte« antritt und offenbar bei zahlreichen Neapolitanern die Hoffnung auf eine bessere Zukunft geweckt hat. Besonders herb war die Enttäuschung für Berlusconi in seiner Heimatstadt und Hochburg Mailand, wo die vom Premierminister und der Lega Nord unterstützte Amtsinhaberin Letizia Moratti (Volk der Freiheit) im ersten Wahlgang weniger Stimmen erhielt als Giuliano Pisapia, ein Rechtsanwalt, der einst für die »Kommunistische Neugründung« Rifondazione im Parlament saß. Nun tritt er für ein breites linkes Bündnis an.

Um in den Großstädten Neapel und Mailand eine Niederlage abzuwenden, die sich unweigerlich auch auf die Regierung in Rom auswirken würde, führt die Rechte jetzt alle erdenklichen Mittel ins Feld. Silvio Berlusconi missbraucht sein Amt und besetzt de facto alle ihm wohlgesinnten TV-Sender (und das sind in Italien fast alle) in der Hauptsendezeit mit Wahl-Werbespots, die als Interviews getarnt werden. Außerdem macht er Versprechungen, die mal absurd und mal lächerlich sind. »Wir werden mindestens zwei Ministerien von Rom nach Mailand verlegen«, erklärte er, musste aber diese Aussagen schon wenige Stunden später teilweise zurücknehmen, weil es deswegen in seiner Partei in der italienischen Hauptstadt einen Aufstand gab. »Wir bereiten eine Amnestie für Falschparker vor«, war seine zweite Ankündigung.

Berlusconi spricht in diesen Stunden von »bürgerkriegsähnlichen Zuständen« und heizt sie dann auch ordentlich an. In Mailand besuchte er eine Frau im Krankenhaus, die angeblich von Pisapia-Anhängern angegriffen worden war – obwohl viele Zeugenaussagen darauf hinweisen, dass die Dame sich einfach auf den Boden gesetzt hatte. »Wer Pisapia wählt«, behauptete der Premierminister, »will aus Mailand eine islamisch beherrschte Zigeunerstadt machen.« Und um diese »Tatsache« zu unterstreichen, schickte er (so einige Medien), falsche Roma ins Feld, die laut grölen, dass sie Giuliano Pisapia wählen. Außerdem sollen ebenfalls falsche Bauarbeiter durch Mailand gehen, die angeblich schon mal für die nächsten geplanten Moscheen Maß nehmen. Ansonsten werden sowohl de Magistris wie Pisapia beschimpft, weil sie angeblich die homosexuellen gegenüber den »normalen« Familien begünstigen wollen.

Die beiden linken Kandidaten fordern ihre Anhänger derweil auf, bloß nicht auf Provokationen aus dem rechten Lager einzugehen. Sie sollen im gegebenen Fall auch noch die sprichwörtliche andere Wange hinhalten. Inwieweit die hysterischen Ausfälle Berlusconis und seiner Koalition letztlich die moderaten Bürger überzeugen werden, wird sich am kommenden Montagnachmittag zeigen.

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