Von der Leyen streicht weiter

Bundesarbeitsministerium will den Bund um Rentenbeiträge für Behinderte entlasten

  • Lesedauer: 3 Min.
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) will Ausgaben für Behinderte aus dem Bundeshaushalt streichen. Anstelle des Bundes sollen künftig Arbeitslosen- und Rentenversicherung die Rentenbeiträge für in Behindertenwerkstätten Tätige übernehmen. Die Sozialversicherer würden dadurch mit 155 Millionen Euro jährlich belastet.

Berlin (Agenturen/ND). Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) will den Bund von Ausgaben für Behinderte entlasten. Ein Sprecher des Ministeriums bestätigte am Montag in Berlin einen entsprechenden Bericht der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«, wies aber den Vorwurf zurück, es werde bei den Behinderten gekürzt. Das Kabinett will die gesetzlichen Änderungen an diesem Mittwoch beschließen. Arbeitgeber und Gewerkschaften protestierten gegen neue Belastungen für die Beitragszahler, die anstelle des Bundes für die Rentenbeiträge für Behinderte aufkommen sollen.

Es handelt sich um 155 Millionen Euro im Jahr, wovon 120 Millionen die Bundesagentur für Arbeit (BA) und 35 Millionen die Rentenversicherung tragen sollen. Hinzu kommen einmalig weitere 500 Millionen Euro für die Jahre von 2008 bis 2010, weil von der Leyen die Regelung rückwirkend in Kraft setzen will. Denn seit 2008 zahlt der Bund die Rentenbeiträge behinderter Menschen bereits nicht mehr. Die Ministerin will nun das Gesetz entsprechend ändern, weil nach Sozialgerichtsurteilen die bisherige rechtliche Grundlage nicht ausreiche, um die Rentenbeiträge endgültig den Sozialversicherungen aufzubürden.

Für die Gehandicapten selbst ändere sich nichts. Es handelt sich dabei um die Gruppe behinderter Menschen, die eine Arbeit im sogenannten Eingangs- und Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für Behinderte aufnehmen, um etwa nach einem Unfall ins Berufsleben zurückzukommen oder trotz einer Behinderung überhaupt hineinzukommen. Für sie zahlte bis 2008 der Bund die gesamten Rentenversicherungsbeiträge, seitdem sprangen übergangsweise die Renten- und die Arbeitslosenversicherung ein.

Der Ministeriumssprecher betonte, es gehe nicht darum, »dass irgendjemandem etwas weggenommen wird«. Die betroffenen Menschen mit Behinderungen würden weiter wie bisher ihre Rentenversicherungsbeiträge erstattet bekommen. Es gehe lediglich um die Frage, wer die Kosten für die Beiträge erstatte.

Sobald eine behinderte Person dauerhaft in einer Behindertenwerkstatt tätig ist, stockt der Bund seine Rentenzahlungen auf bis zu 80 Prozent des Durchschnittsbeitrags auf, da er andernfalls wegen seines niedrigen Lohns keine nennenswerten Rentenansprüche erwirtschaften würde. Dies bliebe auch künftig so.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kritisierten die Verlagerung der Kosten auf die Beitragszahler in einem Brief an das Bundesarbeitsministerium. Darin heißt es, es dürfe nicht sein, »dass der Bund seinen Haushalt auf Kosten der Beitragszahler zur Arbeitslosen- und Rentenversicherung saniert«. Besonders ärgerlich sei die rückwirkende Änderung, die die BA mit 400 Millionen Euro und die Rentenversicherung mit 110 Millionen Euro belaste. Die Verlagerung eindeutig gesamtgesellschaftlicher Aufgaben vom Bund auf die Beitragszahler sei nicht sachgerecht, so die Mitglieder von Geschäftsführung und Vorstand der BDA und des DGB, Alexander Gunkel und Annelie Buntenbach.

Die sozialpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Katja Kipping, kritisierte von der Leyens Vorstoß und erklärte, die Rechte von Menschen mit Behinderungen seien keine »Manövriermasse«. Deren Schutz obliege dem Sozialministerium. Durch die Pläne gerate zudem der Haushalt der BA weiter unter Druck. »Die Leidtragenden werden dann am Ende wieder einmal die Beschäftigten der BA und die Erwerbslosen sein«, so Kipping. Dies sei nicht hinnehmbar.

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