Hamburg: NPD-Verbotschance »ausloten«
Verfassungsschutzbericht 2010 bezeichnet islamistischen Terrorismus weiter als »größte Gefahr«
Auch nach der Schließung der Taiba-Moschee (früher: Al Quds-Moschee) im Stadtteil St. Georg 2010 sind die Anhänger des »Heiligen Krieges« weiter in Hamburg aktiv. Zur Erinnerung: In der Moschee am Steindamm gingen die Attentäter des 11. September ein- und aus. Heute leben in Hamburg 2065 (2009: 2010) Islamisten, darunter 200 gewaltbereite.
Die Anzahl der Befürworter und Unterstützer des bewaffneten Jihad verringerte sich im Zeitraum von einem Jahr zwar von 45 auf 40. Das sei vor allem der sogenannten »Hamburger Reisegruppe« geschuldet, erklärte Hamburgs neuer Verfassungsschutz-Präsident Dr. Manfred Murck. Die habe sich im Frühjahr 2009 dem Jihad in Afghanistan anschließen wollen. Zwei aus der Gruppe seien mittlerweile in Haft: Einer wartet noch auf seinen Prozess, Rami M. wurde wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu vier Jahren und neun Monaten verurteilt. »Auch nach dem Tod von Top-Terrorist Bin Laden müssen und werden wir wachsam bleiben«, sagte Neumann. Von einer Entspannung der Gefährdungslage könne nicht die Rede sein, assistierte Murck.
An Schubkraft hat dagegen der Rechtsextremismus verloren. »Die Gefährdung ist niedriger als 2009«, sagte Murck und sprach von einem »Trend«, der sich in diesem Segment abzeichne. Die nach dem Tod ihres Anführers Jürgen Rieger verunsicherte Hamburger NPD habe sich auf »niedrigem Aktionsniveau« stabilisiert und spielte politisch kaum eine Rolle. Bei der Bürgerschaftswahl blieb die NPD mit 0,9 Prozent unter der für die Wahlkampfkostenerstattung maßgebliche Hürde von einem Prozent. Der Innensenator kündigte dennoch an, »Möglichkeiten eines neuen Verbotsverfahrens auszuloten«.
Das gesamte rechtsextreme Personenpotential nahm um 50 auf 480 Aktive ab, darunter 180 Gewaltbereite, die 21 (2009: 30) Gewaltdelikte begingen. Die Gesamtzahl der Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund stieg von 297 auf 316. Für leichte Irritationen beim Verfassungsschutz sorgt die nach einem Jahrzehnt wiedererstarkte antiimperialistische Szene, die gegen die »Militarisierung der Gesellschaft« mobil macht. »Wir verstehen zwar, wie die Autonomen ticken«, sagte Murck, der sich darüber wundert, wie es die Antiimperialisten geschafft hätten, »mit einem platten Marxismus-Leninismus sehr junge Leute mit gewaltbereiter Orientierung zu werben«. Die Gruppen agieren als Rote Szene Hamburg (RSH) und Sozialistische Linke (SoL).
Die klassischen Autonomen punkten dagegen weiter, mit den Themen »Antirepression« und »Gentrifizierung«, die Vertreibung Alteingesessener aus ihren aufgewerteten Stadtteilen. Bisweilen gibt es Brandanschlägen und Sachbeschädigungen. Auf das Konto linker »politisch motivierter Krimineller«, wie es im Jargon der Verfassungsschützer heißt, gingen im vergangenen Jahr 470 Straftaten (2009: 757), hiervon waren 27 von Linksextremisten verübte Gewaltdelikte (2009: 37).
Ein interessante Randnotiz zum Schluss: Im Prinzip ist das linksextremistische Personenpotential von 2002 bis heute gleichgroß geblieben. Es pendelt zwischen 1130 (2002) und 1150 (2010). Den rund 300 Personen großen Überhang in den Jahren 2003 bis 2007 bezeichnete Verfassungsschutzchef Manfred Murck als »statistischen Artefakt«. Das heißt: In dieser Zeit wurden die Mitglieder von DIE LINKE auf Betreiben CDU-geführter Senate in toto als »extremistisch« erfasst, seit 2008 (Start der schwarz-grünen Koalition) nur noch »extremistische Ausläufer« – gemeint sind: Kommunistische Plattform, die Linksjugend solid und die trotzkistische Gruppe »marx21«. Im Visier der Schlapphüte sind somit nur noch 70, in »Teilstrukturen« der LINKEN aktive Personen.
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