Angeklagte können ihre Strafe verweigern

Prozess gegen frühere Wehrmachtsangehörige wegen Verbrechen in Italien steht vor dem Abschluss

  • Katharina Zeiher
  • Lesedauer: 3 Min.
Sie sterben jetzt, die alt gewordenen Täter aus Deutschland, und »lebenslänglich« könnte kaum mehr als eine symbolische Buße sein. Doch selbst sie steht in den Sternen. Dabei geht es um vielfachen, besonders grausamen Mord an Zivilisten, begangen vor 65 Jahren in Italien.

Anders als der ehemalige KZ-Wächter John Demjanjuk mussten sie ihren Opfern vor Gericht nie begegnen. Erich K., Karl Friedrich M. und Herbert W. leben als freie Männer in Deutschland. Sie planten und verantworteten als Wehrmachtsoffiziere der Fallschirm-Panzerdivision Hermann Göring Massaker an Zivilisten in Italien. Das jedenfalls will ihnen ein Militärgericht in Verona nachweisen, das wegen »besonders schweren Mordes, begangen mit besonderer Grausamkeit an unschuldigen Personen« seit 2009 gegen sie verhandelt.

Ein Urteil wird für Ende des Monats erwartet. Es ist nicht der einzige Prozess gegen Wehrmachtsangehörige in Italien. Ebenfalls wegen Mordaktionen an Zivilisten hat erst vor Kurzem ein römisches Gericht drei andere Ex-Wehrmachtssoldaten in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt. Und doch interessiert sich in Deutschland kaum jemand dafür. Vielleicht, weil der Mythos der »sauberen Wehrmacht« auch heute noch wirkmächtig ist. Vielleicht aber auch, weil Italien vielen nur als faschistisches Partnerland des »Dritten Reichs« gilt – dass Deutschland das Land 1943 besetzte und Wehrmacht und SS einen brutalen Feldzug gegen den erstarkenden Widerstand der Bevölkerung führten, wird häufig vergessen.

65 Jahre sind die mutmaßlichen Taten der Division Hermann Göring jetzt her, die Angeklagten heute im Alter zwischen 84 und 92. Drei verstarben während des Prozesses. Lebenslängliche Haftstrafen fordert die italienische Staatsanwaltschaft für ihre Taten in Stia, Monte Morello und Cervarolo, wie nur einige der vielen Ortschaften heißen, in denen die Einheit bei gegen Partisanen gerichteten »Durchkämmungsaktionen« im Frühjahr 1944 auch Kinder und Greise ermordete. Über 400 Morde sollen es insgesamt sein.

Amtshilfe bekamen die Italiener aus dem Land der Täter. »Unsere Akten waren Grundlage des italienischen Verfahrens; es besteht ein reger Austausch«, so Andreas Brendel, Leiter der Zentralstelle in NRW für die Bearbeitung von nationalsozialistischen Massenverbrechen. Brendel ist dort der zuständige Staatsanwalt für den aktuellen Prozess in Verona. Dass die Dortmunder, wie auch das Düsseldorfer LKA, die italienischen Kollegen mit Abhörprotokollen versorgten, ist wichtig; »für die Angehörigen der Opfer wichtiger wäre es aber, die Angeklagten auch physisch vor Gericht zu sehen«, sagt hingegen Anne Lepper von der AG Reggio-Emilia, die sich um öffentliche Aufklärung über die deutschen Verbrechen in Italien bemüht.

Nach deutschem Recht werden Staatsangehörige aber nur dann ans Ausland zur Strafverfolgung ausgeliefert, wenn sie selbst dem zustimmen. Das gilt auch für Kriegsverbrecher. Nur eine Gesetzesänderung könnte hier Abhilfe schaffen – die ist aber nicht in Sicht. Ebenso wenig geplant ist ein deutsches Verfahren gegen die in Verona angeklagten Wehrmachtssoldaten.

Das passt ins Bild. Zwar hat es nach Zählung der Zentralen Stelle in Ludwigsburg insgesamt 17 955 Verfahren in Deutschland wegen nationalsozialistischer Verbrechen gegeben. Seit den 1950er Jahren ist aber kein einziger Wehrmachtssoldat wegen Beteiligung an Kriegsverbrechen verurteilt worden, sagt der Historiker Hannes Heer. Und auch in Italien mochte man sich mit den Weltkriegs-Massakern lange lieber nicht zu ausführlich beschäftigen. Belastende Dokumente, die auch in den aktuellen Prozessen zum Einsatz kommen, wurden im »Schrank der Schande« jahrzehntelang unter Verschluss gehalten. In dem zur Wand gedrehten, mit einem Gitter gesicherten Kellerschrank hatte die militärische Anklagebehörde in Rom in den 1950er Jahren wichtige Beweise über deutsche Kriegsverbrechen versteckt – offenbar in Absprache mit Regierungsstellen, um im Kalten Krieg den NATO-Partner Deutschland nicht zu belasten. Erst im Zuge des Verfahrens gegen SS-Führer Erich Priebke wurden 1994 die Akten entdeckt und an die Staatsanwaltschaften übergeben. Priebke wurde, anders als die in Verona Angeklagten, nach Italien überstellt und kam vor Gericht. Seine lebenslange Haftstrafe verbüßt er aber wegen seines angeblich schlechten Gesundheitszustands als Hausarrest. Von einem Journalisten wurde er jüngst gut gelaunt beim Sektkauf in einem Römer Supermarkt beobachtet.

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