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Rüstig
Inge Viett muss wegen der »Billigung von Straftaten« vor Gericht
Was in Ländern wie Irland oder den Niederlanden von Gerichten vereinzelt als Tat gesehen wird, die schlimmeres Unheil verhindern helfen könnte, führt hierzulande vor den Kadi. Bereits die Billigung von Sabotage an Kriegsgerät ist in Deutschland ein Straftat. Das findet die Berliner Staatsanwaltschaft und erhob nun Anklage gegen das ehemalige RAF-Mitglied Inge Viett.
Der Grund für die Unbill: Auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin sagte Viett im Januar bei einer Podiumsdiskussion: »Wenn Deutschland Krieg führt und als Anti-Kriegsaktion Bundeswehr-Ausrüstung abgefackelt wird, dann ist das eine legitime Aktion, wie auch Sabotage im Betrieb an Rüstungsgütern.« Flugs leitete die Behörde Ermittlungen ein. Wegen derlei Billigung von Straftaten nach Paragraf 140 Strafgesetzbuch drohen der 67-Jährigen bis zu drei Jahre Haft oder eine Geldstrafe.
Es ist für Inge Viett nicht das erste Mal vor Gericht. Die 1944 bei Hamburg Geborene lebte ab 1946 in Kinderheimen und ab 1950 in einer Pflegefamilie, aus der sie nach neun Jahren abhaute und sich mit Gelegenheitsjobs durchschlug. Politisch wurde Viett nach 1968 in Berlin in der APO aktiv. Im Jahr 1972 schloss sie sich der Bewegung 2. Juni an, wurde im Mai des selben Jahres erstmals festgenommen und floh im Juli 1973 aus der Haft. Sie war beteiligt an der Entführung des Berliner CDU-Spitzenkandidaten Peter Lorenz 1975. Nach erneuter Inhaftierung floh sie 1976 mit einigen Genossinnen aus dem Frauenknast Lehrter Straße in Berlin und tauchte mit Hilfe der Stasi in der DDR unter. Nach der Auflösung der Bewegung 2. Juni ging Viett 1980 in die RAF. 1981 schoss sie in Paris auf einen Polizisten und verletzte ihn schwer. 1982 ging sie erneut in die DDR, lebte und arbeitete zunächst unter neuem Namen in Dresden und dann, als ihre Tarnung aufzufliegen drohte, in Magdeburg. Nach dem Mauerfall wurde Inge Viett im Juni 1990 verhaftet und 1992 für die Schüsse auf den französischen Polizisten zu 13 Jahren Haft verurteilt, von denen sie die Hälfte absaß. Seitdem ist sie in Berlin als Autorin tätig und politisch auch im antimilitaristischen Kontext aktiv. Zuletzt wurde sie 2009 wegen Widerstands gegen Polizeibeamte bei Protesten gegen ein öffentliches Bundeswehrgelöbnis zu einer Geldstrafe verurteilt.
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