Erneuerbare für Großkonzerne
Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes begünstigt Energieriesen und Großverbraucher
Die jüngste energiepolitische Kehrtwende der Bundesregierung beschränkt sich nicht allein auf die teilweise Rückkehr zu den Eckdaten des rot-grünen Atomausstiegs, sie betrifft mehr oder minder auch die gesamte Energiebranche von den Erneuerbaren bis hin zum Netzausbau und zur Suche nach einem Endlager für Atommüll. Wie wenig konsistent die nach dem Reaktorunfall von Fukushima eilends überarbeiteten Gesetzeswerke zur Energiepolitik allerdings sind, zeigt vor allem die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Denn dessen Änderungen lesen sich vielfach noch, als seien sie lange vor der Abschaltung mehrerer deutscher Reaktoren verfasst worden. Wenn, wie von der Bundesregierung geplant, Ende 2022 das letzte AKW vom Netz gehen soll, wäre ganz offensichtlich ein beschleunigter Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energiequellen und ein massives Energieeinsparprogramm vonnöten.
Doch die Bemühungen um Energieeffizienz beschränken sich in der Hauptsache auf ein Förderprogramm für energiesparende Gebäudesanierung, dessen Kosten zudem stärker auf die Mieter abgewälzt werden können. Vorteil für Hauseigentümer: Die Sanierungskosten werden auch steuerlich begünstigt.
Und im EEG selbst wird der bereits in den Vorjahren beschrittene Weg fortgesetzt, die Förderung der Photovoltaik beschleunigt zurückzufahren. Die europäische Vereinigung Eurosolar unter ihrem deutschen Präsidenten Peter Droege spricht deshalb von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) bereits als dem »Totengräber der erneuerbaren Energien«. Umweltverbände bemängeln insbesondere, dass ein Teil der für den Grundlastbereich interessanten großen Freiflächen-Photovoltaikanlagen keine zusätzliche Vergütung mehr erhalten. Das betrifft laut Gesetzentwurf zwar nur Anlagen auf Konversionsflächen, in Nationalparks oder Naturschutzgebieten und soll laut Bundesregierung verhindern, dass wertvolle Naturschutzflächen zweckentfremdet werden. Doch auch bei den übrigen Anlagen wurde die Einspeisevergütung reduziert, wobei größere Anlagen in das Einspeisemanagement einbezogen werden sollen, was zusätzliche Kosten beim Betreiber verursacht. Kleinere Anlagen wiederum dürfen höchstens noch 70 Prozent ihrer Spitzenleistung einspeisen.
Da zugleich die Vergütungen für Windenergieanlagen an Land zugunsten der Offshore-Windparks gekürzt werden, sehen nicht nur die Grünen eine deutliche Bevorzugung großer Konzerne gegenüber kleinen Erzeugern in einem dezentralen Energieversorgungssystem. Denn die milliardenteuren Windanlagen auf hoher See sind in der Regel nur von den großen Energiekonzernen oder anderen Großinvestoren finanzierbar.
Konzernfreundlich bleibt auch ein weiterer Punkt im Gesetz: Gewerbliche Kunden mit besonders hohem Stromverbrauch werden durch die Umlage der Einspeisekosten aus erneuerbaren Energiequellen weniger belastet als normale Stromverbraucher. Nach Berechnungen der Bundesregierung ergibt sich daraus eine Mehrbelastung von 0,1 Cent pro Kilowattstunde.
Eine Novität im Gesetz stößt sowohl bei Grünen als auch bei der Erneuerbaren-Branche auf mäßige Begeisterung: die sogenannte Marktprämie. Die soll diejenigen Ökostromanbieter begünstigen, die ihren Strom selbst vermarkten und sich nicht auf die Einspeiseverpflichtung nach EEG verlassen wollen. Ziel ist, den Ökostrom dann ins Netz zu bekommen, wenn auch der Verbrauch hoch ist, und nicht Erzeugungsspitzen ausgerechnet in Verbrauchstälern einzuspeisen. Theoretisch sollte das den Ausbau von sogenannten Kombikraftwerken befördern, also Anlagen, wo Stromerzeuger mit typischerweise stark schwankender Produktion mit geeigneten Speichern oder Biogasanlagen gekoppelt werden, denn solche Anlagen könnten ihre Stromerzeugung an den realen Bedarf anpassen. Allerdings zeigt ein Vergleich des Leipziger Ökostromhändlers Clean Energy Sourcing, dass die Prämie gerade für die als Puffer interessanten Biomasse- und Biogasanlagen zu niedrig ist, um das Marktrisiko abzufangen. Zudem begünstige die Marktprämie ebenfalls Großunternehmen, da nur diese die Investitionen für hinreichen große Anlagen mit Speichern tragen könnten.
Angesichts dieser Ungereimtheiten ist es dann auch folgerichtig, dass die Kanzlerin ihr kürzlich in einem Interview verkündetes Ziel, den Anteil der Erneuerbaren bis zum Jahr 2020 auf 40 Prozent auszubauen, wieder zurückgenommen hat. Das aktuelle Gesetzespaket zielt nur noch auf 35 Prozent Erneuerbare.
Gesetzespaket
Das gestern vom Kabinett beschlossene Atom- und Energiepaket beinhaltet elf Gesetze, Eckpunkte und Vorlagen. Die wichtigsten Maßnahmen:Atomausstieg: Die acht stillstehenden Atomkraftwerke bleiben vom Netz, die Bundesnetzagentur soll aber bis September entscheiden, ob eines davon für den Fall von Stromengpässen bis 2013 in Bereitschaft bleibt. Die neun verbleibenden Meiler sollen nach einem Stufenplan bis Ende 2022 vom Netz gehen. Aus rechtlichen Gründen dürfen genehmigte Strommengen von stillgelegten AKW auf neuere Meiler übertragen werden.
Brennelementesteuer: Sie soll bis 2016 bleiben und bringt bei neun AKW nur noch 1,3 Milliarden Euro jährlich. Pro AKW und Jahr müssen die Betreiber etwa 150 Millionen Euro zahlen.
Atommüllendlager: Bis Jahresende soll es eine gesetzliche Regelung geben. Außer im Salzstock von Gorleben sollen weitere geologische Untersuchungen angestellt werden – womöglich bundesweit. Auch Tongesteine und mit Abstrichen Granit könnten für die Lagerung hoch radioaktiver Abfälle geeignet sein.
Kraftwerksneubau: Mit einem Beschleunigungsprogramm sollen Kapazitäten von bis zu zehn Gigawatt gebaut werden, um den Wegfall der Atomkraftwerke aufzufangen. Unter anderem soll es mehr Gaskraftwerke geben.
Energiesparende Gebäudesanierung: Die Regierung will das Förderprogramm mit zinsgünstigen Krediten auf 1,5 Milliarden Euro ab 2012 aufstocken. Zudem sollen wahrscheinlich ab 2013 jährlich zehn Prozent der Sanierungskosten von der Steuer abgesetzt werden können. Mieter sollen während dieser Sanierungen nicht mehr die Miete kürzen können; bis zu elf Prozent der Kosten können auf die Jahresmiete aufgeschlagen werden.
Stromnetzausbau: Bis 2020 müssen bis zu 4450 Kilometer neue Stromautobahnen gebaut werden. Der Bund will die Bau- und Planungszeiten von gut zehn Jahren auf vier Jahre verkürzen und dazu Kompetenzen der Länder an sich ziehen.
Förderung der Erneuerbaren: Die Regierung will, dass die Subventionen für Ökoenergien schneller als bisher geplant zurückfahren. Die Vergütungen für Solarstrom sollen um bis zu 24 Prozent bis 2012 sinken. Für Windstrom an Land soll es 1,5 Prozent weniger geben. Für Windkraft auf See soll die Vergütung dagegen um 2 auf 15 Cent je Kilowattstunde Strom steigen – garantiert für zwölf Jahre.
Energie- und Klimafonds: Er wird deutlich aufgestockt und mit den gesamten Einnahmen aus dem Verkauf von CO2-Emissionszertifikaten gespeist. Die Regierung erwartet ab 2013 jährlich bis 3,3 Milliarden Euro.
Windkraftausbau: In den Ländern soll es einheitliche Kriterien für Höhengrenzen und Ausweisung geeigneter Flächen geben. Geplant ist der Austausch älterer Anlagen durch leistungsstärkere. Genehmigungsverfahren für den Ausbau auf See werden beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie gebündelt.
dpa/ND
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