Politik-Primat

Standpunkt von Kurt Stenger

  • Lesedauer: 1 Min.

Hand aufs Herz: Wer hätte gedacht, dass die schwarz-gelbe Koalition die im vergangenen Herbst mit großen Brimborium verabschiedete Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke jemals zurücknehmen würde? Union und FDP schienen zu stark verfilzt zu sein mit der Lobby der Energiekonzerne, denen man die meisten Wünsche zu erfüllen bereit war. Und jedes noch so dumme Pro-AKW-Argument beteten die Koalitionäre brav nach. Auch wenn bei der Atomgesetznovelle und den Details der schwarz-gelben Energiewende vieles im Argen liegt – vom gestrigen Tag geht eine wichtige Botschaft aus: Im Energiebereich ist das Primat der Politik zurückgekehrt. Plötzlich trifft sich die Regierung nicht mehr mit den Konzernchefs von RWE, E.on & Co. und lässt sich auch von deren Klagedrohungen nicht erpressen. Der lautstarke Anti-AKW-Protest kann sich dies auf seine Fahnen schreiben, und die schweigende, atomkraftkritische Mehrheit wurde nicht ignoriert.

Allerdings heißt (Real-)Politik eben auch: windelweiche Kompromisse, Rücksichtnahme auf die einflussreichen Energiewende-Gegner in den schwarz-gelben Reihen – und vor allem die Möglichkeit einer erneuten Kehrtwende. Daher heißt der gestrige Koalitionsbeschluss noch lange nicht Dezentralisierung der Energieversorgung, Bürgerwindparks, Stärkung demokratisch kontrollierter Stadtwerke, massive Energieeinsparung, Mieterrechte. Primat der Politik bedeutet eben etwas anderes als Primat der Demokratie.

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