Eine Schule reist nach Polen
18 Busse aus Westfalen fahren in Richtung Osten
Frankfurt (Oder) / Slubice (dpa/ND). Draußen flirrt die Hitze, die Fahrt dauert stundenlang. Am Dienstagmittag sind die fast tausend Warendorfer aber immerhin schon in Marienborn – an dem einstigen Grenzübergang mussten zu DDR-Zeiten Reisende ausgiebige Kontrollen über sich ergehen lassen.
Die 960 Schüler und Lehrer des Warendorfer Mariengymnasiums bei Münster machen erst einmal Pause. Sie sind auf dem Weg nach Frankfurt (Oder) und Slubice, die komplette Europaschule sitzt in 18 Bussen und reist in die deutsch-polnische Grenzregion. Für den Abend steht ein Empfang durch die Bürgermeister der beiden Städte in der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) auf dem Programm.
Das unbekannte Land
Dass eine komplette Schule verreist, klingt ungewöhnlich – für die Warendorfer ist es das aber keineswegs. Die Europaschule war bereits geschlossen in Rom, wie Pressekoordinatorin Elena Trauboth sagte. Im aktuellen Fall ist es jedoch ein besonderes Ziel: Polen. Für nicht wenige Menschen im äußersten Westen Deutschlands ist das Nachbarland – auch gedanklich – ziemlich weit weg. Im Vorfeld der Fahrt hatte eine Umfrage unter 300 Schülern des Gymnasiums ergeben, dass 80 Prozent von ihnen noch nie in Polen waren. Die 15-jährige Annika Adick aus der neunten Klasse ist eine Ausnahme. »Ich war schon öfter in Polen mit der Familie«, sagt sie. Auf den Fahrten an die Ostseeküste und nach Szczecin (Stettin) habe sie aber kaum etwas über die Menschen erfahren. »Ich erwarte, dass ich jetzt Kontakte knüpfen kann.« Im Gegensatz zu ihr seien aber nicht alle Mitschüler neugierig – die Meinungen seien geteilt, manch einer habe Vorbehalte.
Die Hoffnung der Lehrer
»Wir möchten als Europaschule den Blick und den Horizont der Schüler erweitern«, erklärt Lehrerin Trauboth. Im Mittelpunkt stünden Begegnungen mit Polen – zum Beispiel auf Ausflügen, Besuchen in Schulen des Nachbarlandes und bei Kanutouren. Nach Angaben der Europa-Universität, die in den Besuch mit einbezogen ist, erwartet die Gäste ein reichhaltiges Programm. Die Lehrer hoffen, dass sich angesichts des Zusammenwachsens Europas Partnerschaften zwischen Schulen und persönliche Kontakte ergeben.
Frankfurt (Oder) und Slubice gehörten bis zum 2. August 1945 zusammen. Mit der Festlegung der Oder-Neiße-Grenze teilten die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg die am östlichen Oderufer gelegene Dammvorstadt Polen zu. Slubice hat heute rund 17 000 Einwohner, Frankfurt auf der anderen Seite der Oder hat etwa 60 000. Beide Orte sind mit einer Brücke verbunden.
Die 15-jährige Annika hat sich auf das bis zu diesem Freitag dauernde Abenteuer im Osten vorbereitet: Den Polen wird sie mit »Dzien dobry« einen fröhlichen »Guten Tag« wünschen können.
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