Gemüsebauern in Existenznot
Schlimme Umsatzeinbrüche bei Landwirten / Verschlungene Wege der Agrarproduktion
Bei der Gemüsefrau auf dem Wochenmarkt bleiben Salatköpfe liegen. Frontlader kippen frische Tomaten tonnenweise in eine Grube. Einkaufsmärkte haben Schachteln mit Sprossen aus den Regalen genommen. Menschen und Betriebe, die vom Gemüsehandel leben, leiden wirtschaftlich massiv unter der EHEC-Krise. Die Umsatzverluste der deutschen Gemüsebaubetriebe beziffert der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner, auf bisher rund 50 Millionen Euro. Neben der angekündigten Hilfe aus EU-Mitteln sei auch nationale Unterstützung der Gemüsebauern nötig.
»Die Bundesrepublik und das Land dürfen uns jetzt nicht allein lassen«, betont auch Werner Hilse, Präsident des Landvolkverbandes Niedersachsen. Der Staat habe eine gewisse Fürsorgepflicht gegenüber den Landwirten. Das in Aussicht gestellte Geld von der EU werde den Schaden der betroffenen Gemüsebetriebe nicht decken. Eine echte Existenznot habe die EHEC-Situation hervorgerufen, sagt Hilse gegenüber ND. Es sei erschreckend, welche Mengen Gemüse in den vergangenen Tagen wegen der Marktlage vernichtet wurden. »Unsere Berufskollegen verlieren ja nicht allein den Gewinn, sondern ganze Erträge – das ist wirklich bedrohend für die Bauern.«
Neben wirtschaftlichen Hilfen sei eine schnelle Aufklärung der EHEC-Ursache dringend erforderlich, meint Hilse. Keinen Sinn habe es, in Panik zu verfallen »und nun gar kein Obst und Gemüse mehr zu essen – denn das ist nicht schlechter als früher«. Selbst wenn der Erreger bei einem niedersächsischen Betrieb gefunden würde, bleibe immer noch nachzuforschen, wie der Erreger dort hingekommen und wie er überhaupt so geworden ist, gibt der Verbandspräsident zu bedenken. »In der Natur gibt es immer wieder Veränderungen – auch bei Krankheitserregern.«
Von schlimmen Umsatzeinbrüchen bei konventionell als auch bei biologisch orientierten Gemüsebetrieben berichtet auch Eckhard Niemann, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Die AbL fordere die Verantwortlichen auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene – vor allem auch im Interesse der Verbraucher – zu einer »verstärkten und noch besser koordinierten Suche nach den Ursachen und Verbreitungswegen« des Erregers auf. Die Entstehung der offenbar neuen und besonders aggressiven EHEC-Variante sei noch unbekannt, so der Verband, der Kleinbauern vertritt. Umso mehr seien die Hinweise renommierter Wissenschaftler ernst zu nehmen, dass »diese Erreger-Mutanten möglicherweise in der agrarindustriellen Tierhaltung, Verarbeitung oder Futtermittel-herstellung« entstanden seien. Es sei auch durch die aktuelle Krise deutlich geworden, so Niemann, wie verschlungen und intransparent die Wege der globalen und industriellen Agrarproduktion seien.
»Sehr ernst« nehme auch der Lebensmittelhandel die Verunsicherung der Kunden über den EHEC-Erreger, betont der Handelsverband Deutschland. Auf die bisherigen Erkenntnisse habe der Handel schnell reagiert. »Entsprechend den Angaben der Behörden sind Produkte aus dem Verkauf genommen worden.« Bei den Bauern werden solche Aussagen die Sorgen noch verstärken.
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