Gamsbart statt Scharia

Muslime sollen dabei helfen, radikalen Islamismus zu bekämpfen

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 3 Min.
In Berlin fand gestern ein »Präventionsgipfel« statt. Vertreter der Sicherheitsbehörden und muslimischer Verbände trafen sich und diskutierten.

Bereits mit der zu Beginn seiner Amtszeit gefallenen Äußerung, der Islam gehöre historisch nicht zu Deutschland, hat sich Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) nicht gerade als der weltoffenste und feinsinnigste Politiker des Regierungskabinetts erwiesen. Das mag ein Grund dafür sein, dass Vertreter muslimischer Organisationen in Deutschland ihm mittlerweile mit Skepsis begegnen.

Gestern fand nun in Berlin der sogenannte Präventionsgipfel statt, bei dem der Minister sich mit Vertretern muslimischer Organisationen sowie den Präsidenten des Bundeskriminalamts und des Verfassungsschutzes traf. Auch der Zentralrat der Muslime hatte nach anfänglicher Kritik seine Teilnahme an dem Gipfel zugesagt.

Ein Ziel besteht darin, mithilfe von Muslimen etwas gegen die wachsende Radikalisierung junger Religionsangehöriger zu unternehmen. Islamische Gemeinden und Verbände sollen, geht es nach dem Wunsch des Ministers, die Polizei verständigen, wenn sie in ihrer alltäglichen Umgebung auf religiösen Fundamentalismus oder radikale Ansichten stoßen.

Vor Kurzem äußerte der Innenminister den Wunsch, dass auch muslimische Einwanderer »eine emotionale Beziehung zu diesem Land bekommen« und »Deutschland als ihre Heimat verstehen«, will sie also offenbar zu stolzen Deutschen machen. Die Zusammenfassung der Sicht des Ministers lautet demnach wie folgt: Der Muslim gehört nicht zu Deutschland, solange er nicht dazu bereit ist, sich so aufzuführen wie der Vorsitzende eines Gebirgstrachten- und Heimatschutzvereins.

Die Grünen und die Linkspartei übten Kritik an den Vorhaben des Innenministeriums. Moniert wurde, dass von den Muslimen »Spitzeldienste« erwartet würden und »Denunziantentum« befördert werde. Säkulare Muslime hegen die Befürchtung, dass es zu einer stärkeren Islamfeindlichkeit kommen könne, vor allem aufgrund der Tatsache, dass häufig zwischen fanatischen und gewaltbereiten Islamisten und fortschrittlichen Religionsangehörigen nicht unterschieden werde.

Auf Nachfrage, warum er den Gipfel zunächst als »integrationshemmend« bezeichnete, teilte Aiman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, dem ND mit, dass man mit dem Bundeskriminalamt und dem Verfassungsschutz bei der Bekämpfung des Islamismus bereits seit dem Jahr 2005 zusammenarbeite: »Es wird der Eindruck erweckt, dass die Politik hier einen ganz neuen Weg geht, aber das ist nicht der Fall. Es gibt bereits viel Präventionsarbeit, Aussteigerprogramme und ähnliches.« Was ihn am Gipfel störe, sei der Umstand, dass »Fragen der Religion und der Sicherheitspolitik« auf unzulässige Weise miteinander vermengt würden: »Die Trennschärfe zwischen dem Islam als Religion und politischem Extremismus müsste stärker gezogen werden.«

Darauf angesprochen, dass es auch in vielen islamischen Gemeinden in Deutschland radikale Strömungen gibt, die Schwierigkeiten mit einer liberalen Gesellschaftsordnung haben und etwa Frauen oder Homosexuelle diskriminieren, meint Mazyek: »Es ist nur ein Bruchteil der Muslime, die radikal sind. Es sollte darum gehen, Programme wie das des Ministeriums mit den Muslimen und nicht gegen sie zu entwickeln.«

Es mag dem Innenminister, der viel Zeit in seinem Leben in Bayern zugebracht hat, zwar so erscheinen, als sei die »Identität« Deutschlands, wie er nicht müde wird zu betonen, die »christlich-abendländische Kultur«. Es dürfte ihm aber nicht entgangen sein, dass die Bundesrepublik sich als Staatswesen begreift, dessen Bevölkerung nicht nur aus Bierkrüge stemmenden Gamsbartträgern besteht, sondern auch aus säkular lebenden und friedlichen Muslimen.

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