Den Bauer im Dorf lassen
Wie die Linkspartei die »Erste Säule« der EU-Agrarförderung reformieren will
Die »Gemeinsame Agrarpolitik« (GAP) der EU ist nicht immer leicht zu verstehen. Gelegentlich wirft sie aber Fragen auf, die fast allgemeine menschliche Probleme betreffen. So war es am Samstag in Schwerin, wo LINKE-Agrarexperten die Vorstellungen ihrer Partei zur Neuausrichtung der Agrarförderung vorstellten und die Frage aufwarfen: Ist der Kleine automatisch der Bessere, der gefördert und gegen den Großen gestützt werden muss?
Ja, meint die EU-Kommission, die von Willi Schulz-Greve vertreten wurde. Der Mitarbeiter des EU-Landwirtschaftskommissars stellt die Vorschläge Brüssels vor: Demnach sollen die Direktzahlungen aus der »Ersten Säule« der GAP in Zukunft an die Betriebsgrößen gebunden werden. Ab einer bestimmten Größe soll die Förderung nach Gusto der Brüsseler »gedeckelt« werden – um Spielraum zu haben für eine Unterstützung der Kleinen, so Schulz-Greve. Später in der Diskussion unterstreicht ein Vertreter der Aktionsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, dass die Bio-Bauern hierin mit der Kommission übereinstimmen: »Wir sind für die Kappung, wir sind für die Umverteilung von oben nach unten.«
Fritz Tack, Agrarexperte der Linksfraktion in Mecklenburg-Vorpommern, widerspricht: Die Großbetriebe, oft Genossenschaften, seien häufig »Familienbetriebe im besten Sinn«, fest verankert in ihren Orten. Es gehe nun darum, »den Bauer im Dorf zu halten«: Deswegen lehnt die LINKE sowohl eine Kappung als auch eine Degression ab, nach der ab einer bestimmten Schranke die Zahlungen sinken würden. Auch für Martin Piehl, Hauptgeschäftsführer des Nordost-Bauernverbandes, ist dies »ein großes Thema«. Das Einziehen von Kappungsgrenzen wäre ein »Sündenfall«.
Die Bundestagsabgeordnete Kirsten Tackmann hält die Abwehr einer Kappung derzeit ebenfalls »für den Hauptpunkt« in der Diskussion aus einer linken Sicht. Es müsse aber Umstellungen in der »Ersten Säule« der GAP, über die 43 Milliarden Euro jährlich ausgeschüttet werden, geben – allein schon, um das den Bürgern zu erklären. Deshalb fordert die LINKE-Bundestagsfraktion die Verknüpfung von Direktzahlungen mit sozial-ökologischen Zielen. So sollen Zahlungsempfänger gentechnikfrei arbeiten, auf den Umbruch von Grünland verzichten und nicht mehr als zwei Großvieheinheiten pro Hektar halten. Auch soziale Kriterien sollen für die Mittelzuweisung gelten – etwa Mindestlöhne und die Einhaltung von Sicherungsstandards.
Zuletzt ist etwas Bewegung in die EU-Agrarpolitik gekommen: Die Kürzungspläne der EU-Kommission für die Umweltprogramme (»zweite Säule«) waren ja bereits im Parlament zurückgewiesen worden. Tackmann hofft nun, dass auch die Debatte um die erste Säule neuen Schwung bekommt. »Grüne« Kriterien wie etwa die Ausweisung ökologischer Vorrangflächen seien von der Partei schon lange vorgeschlagen worden, nun werde ernsthaft darüber diskutiert. Zudem sei es gelungen, »rote« Kriterien wie das Erfüllen von Sozialstandards und das Zahlen von Mindestlöhnen in die Diskussion zu bringen. Bei Bauernfunktionär Piehl ruft die Aussicht auf mehr »Greening« indes weniger Begeisterung hervor: Er befürchtet mehr »Bürokratie«.
Die Diskussion wird bis zum Herbst anhalten. Eine Rolle spielen sollte in Zukunft auch das Eindringen nicht-agrarischen Kapitals und spekulativer Geschäfte in die Landwirtschaft sowie die Frage, ob nicht erste und zweite Säule der GAP mittelfristig zusammenzuführen seien, wird in der Position der LINKEN gefordert. Bereits für die Förderperiode ab 2013 kann sich das in Schwerin aber niemand vorstellen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.