Atomkonsens mit grünem Siegel

Mehrheit der Delegierten auf Sonderparteitag für Zustimmung zum schwarz-gelben Gesetz

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 2 Min.
Auf dem Sonderparteitag der Grünen am Samstag in Berlin stimmte die Mehrheit der Delegierten für den Plan des Parteivorstands, den schwarz-gelben schrittweisen Atomausstieg bis 2022 zu unterstützen. AKW-Gegner befürchten nun eine Schwächung des außerparlamentarischen Protests.
Betrachtet den schwarz-gelben Atomausstieg quasi als sein Werk: der frühere Umweltminister Jürgen Trittin.
Betrachtet den schwarz-gelben Atomausstieg quasi als sein Werk: der frühere Umweltminister Jürgen Trittin.

Die meisten Abgeordneten der Grünen werden voraussichtlich den schwarz-gelben Ausstiegsplan am 30. Juni im Bundestag unterstützen. Dafür stimmte eine Mehrheit der rund 800 Delegierten auf einem Parteitag am Samstag in Berlin. Es war der Parteispitze gelungen, die Basis auf ihren Atomkurs einzuschwören. Auf Stimmen der Grünen sind Union und FDP indes nicht angewiesen. Sie verfügen im Parlament über eine Mehrheit.

Dem Votum war eine siebenstündige, intensiv geführte Debatte vorangegangen. Darin betonten beide Seiten, dass in der Frage des Ausstieges Einigkeit herrsche. Nur der Weg dorthin unterscheide sich. Die Parteibasis hatte 20 eigene Anträge und mehr als 100 Änderungsanträge zum Leitantrag des Bundesvorstandes eingereicht.

Zwei alternative Anträge wurden neben dem Leitantrag zur Abstimmung gestellt. Den einen hatte eine Gruppe um den Rheinland-Pfälzer Karl-Wilhelm Koch eingebracht und darin die Ablehnung der AtG-Novelle wegen mangelnder Rechtssicherheit gefordert. Der andere Antrag wurde von Martina Lammers, Mitglied im Kreisverband Lüchow-Dannenberg, unterstützt. Lammers sprach sich für die Abschaltung der AKW bis 2017 aus. »Laufzeit heißt Risikozeit«, gab sie zu bedenken.

Parteichefin Claudia Roth bezeichnete dagegen das schwarz-gelbe Ausstiegsszenario, wonach die acht ältesten Meiler sofort und alle AKW bis zum Jahr 2022 abgeschaltet werden sollen, als »unseren Sieg über die Atomparteien«. Fraktionschef Jürgen Trittin betonte, dass ein Atomausstieg wegen des rot-grünen Atomkonsens von 2001 möglich sei. »Jetzt kehrt die Bundesregierung zu diesen Gesetzen zurück«, sagte Trittin.

Der Atomkonsens hatte zu einer Krise im Verhältnis der Grünen zur Anti-AKW-Bewegung geführt. Das Ja zum schwarz-gelben Ausstieg droht die Beziehungen erneut zu belasten. Atomkraftgegner hatten den Parteitag mit Protesten begleitet und befürchten nun eine Schwächung der Bewegung. »Der schwarz-gelbe Atomkurs hat jetzt ein grünes Siegel. Viele Menschen sehen darin fatalerweise eine gewisse Sicherheit«, erklärte Jochen Stay, Sprecher der Anti-AKW-Organisation »ausgestrahlt«. Die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg befürchtet, »dass nach einem Schulterschluss mit der Merkel-Regierung auch ein Endlagersuchgesetz in der gleichen Konsens-Logik verabschiedet wird«.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, und CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe begrüßten dagegen die Zustimmung der Grünen. Doch der Stresstest für die Partei komme erst noch beim Bau neuer Netze oder neuer effizienter Gaskraftwerke, sagte Gröhe. Linksfraktionschef Gregor Gysi warf dagegen den Grünen Verrat an ihren eigenen Zielen vor. Technisch machbar wäre die Abschaltung schon 2014 oder, wie die Grünen meinen, 2017, sagte Gysi.

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