Der Pokal wird »ausgekocht«

An der Ostseeküste rücken Schleswig-Holstein und Süddänemark enger zusammen

Bertram Weinigel begutachtet Reinhard Parschauers Fische.
Bertram Weinigel begutachtet Reinhard Parschauers Fische.

Wenn Bertram Weinigel zur Frischfleischbeschau geht, ist für Reinhard Parschauer der Arbeitstag schon so gut wie vorbei. »Um drei geht's raus. Zwischen sieben und acht bin ich wieder hier«, erzählt der Fischer aus Heiligenhafen. Da steht die Kundschaft schon und wartet auf die besten Stücke.

Bertram Weinigel ist Gastronom, ihm gehört »Weinigels Fährhaus«. Er ist früh da, zeitiges Kommen sichert die besten Fische. Steinbutt und Maischolle stehen in seiner Gunst – und in der seiner Gäste – weit oben. »Der Renner aber ist der Dorsch«, meint er und greift hier besonders zu. Vom Fang des Fischers hängt seine Tageskarte ab. Parschauer verkauft seine Fische bereits ausgenommen. Man muss seine Kundschaft pflegen. Hinter Weinigel warten schon einige ältere Männer, um das »Rohmaterial« für das Mittagessen heimzubringen. Es dauert nur wenige Minuten und Parschauers Tagesfang ist verkauft. Feierabend. Für Weinigel aber beginnt ein langer Arbeitstag.

Jedes Jahr wird das »Ostseegericht des Jahres« gekürt, das heißt, es wird ein Pokal ausgekocht. »Das Gericht verkauft sich dann sehr gut, bis zu 3000 Mal im Jahr«, begründet Weinigel den Ehrgeiz der Teilnehmer. Viermal Gold, zweimal Silber und zweimal Bronze heimste sein Restaurant bereits ein. Fast immer kam er auf das Podest. »Nur diesmal nicht«, hadert er immer noch mit seinem »Schicksal«. »Ich hab Mist gebaut und Nordseekrabben mit verwendet. Das ist zwar erlaubt, sollte aber nicht vordergründig erwähnt werden. Da ist die Jury sehr empfindlich.« Seit 27 Jahren kocht Bertram Weinigel in Heiligenhafen, nur im Winter nicht: »Da ist hier tote Maus.« In drei Jahren soll Schluss sein. »Irgendwann ist meine Zeit abgelaufen, es gibt viele junge Wilde, die hier weitermachen wollen.«

Wir fahren weiter nach Fehmarn – der mit rund 2200 Sonnenstunden im Jahr sonnigsten Insel Deutschlands – und gehen in Puttgarden auf die Fähre nach Rødbyhavn. Da wir genug Fische gesehen haben, besuchen wir eine andere Fleischbeschau. Ein Rudel Polarwölfe stürzt sich gerade auf die Futterstücken – von den Besuchern durch eine Sicherheitsschleuse getrennt. Ein heißer Kampf entbrennt, die schwächeren Tiere haben Mühe, satt zu werden. Das Rudel ist der Neuzugang im Safaripark Knuthenborg auf der dänischen Insel Lolland. Das Grün in dem Park, der im viktorianischen Stil angelegt ist, ist satter als anderswo und die Tiere gehören nicht richtig hierher in den Norden Europas, doch sie fühlen sich sichtlich wohl. Nur gut 20 Kilometer östlich vom Nakskov-Fjord sieht es aus wie in der afrikanischen Savanne: Antilopen, Giraffen, Nashörner und Zebras kreuzen den Weg der Autofahrer. Bei der Fahrt durch das Reich der sibirischen Tiger sollte man tunlichst alle Scheiben geschlossen halten. Zu den Pavianen konnte man früher mit dem Auto fahren, aber so mancher Fahrer war dann nicht sehr glücklich über das Aussehen seines Gefährts, nachdem die Tiere darauf herumgesprungen sind. Nun fährt der von Traktoren gezogene Affenbus hinein. Knuthenborg ist seit Generationen im Besitz der Adelsfamilie Knuth, die das Gelände 1870 als Landschaftspark mit seltenen Pflanzen aus allen Erdteilen anlegte. Die ersten wilden Tiere kamen vor gut 40 Jahren hierher. Heute sind es mehr als tausend. Bei den Kamelen – hier darf gefahrlos ausgestiegen werden – drängeln sich die Fotografen und verrenken sich auf der Jagd nach dem besten Bild, so dass mancher Betrachter ins Grübeln kommt ...

Nils Natorp fordert uns dann auf Møn, der wohl schönsten der rund 400 dänischen Inseln, zu Höchstleistungen heraus. Die Kreidefelsen von Møns Klint - nur etwa 60 Kilometer nördlich der »Schwestern« von Rügen gelegen, sind die größte Naturattraktion Dänemarks. Inmitten eines 400 Jahre alten Buchenwaldes erheben sie sich 130 Meter hoch aus dem Meer. Der Abstieg geht uns flink vom Fuß, der Ausblick atemberaubend: Ein Panoramablick auf den riesigen Felsen, wie nur vom Strand aus möglich ist. Hier haben sich seit einigen Jahren wieder Wanderfalken eingenistet. Der Wanderfalke ist das schnellste Tier der Welt. Beim Sturzflug kann er über 300 km/h erreichen.

Ein Bruchteil würde uns beim Aufstieg reichen. Doch es hilft kein Jammern und Klagen, wir müssen schon aus eigener Kraft die 497 Stufen nach oben steigen. Der sportliche Nils Nils ist da längst angekommen, er sprintet hier täglich mehrfach hoch. Oben befindet sich das Geocenter Møns Klint, dessen Direktor Nils ist. Das ist ein Museum, das die Entstehung Dänemarks als interaktive Zeitreise der vergangenen 65 Millionen Jahre für Erwachsene und Kinder gleichermaßen spannend präsentiert.

Auge in Auge mit den »wilden Tieren« im Safaripark.
Auge in Auge mit den »wilden Tieren« im Safaripark.
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