Der Sprit der Zukunft?
Carbazol als chemischer Wasserstoffspeicher
Erlangen/Stuttgart (dpa/ND). Carbazol – mit diesem Begriff elektrisieren zwei deutsche Forscher derzeit die Autobranche. So mancher sieht in der giftigen Chemikalie schon den Sprit der Zukunft. Doch die Forschung von Wolfgang Arlt und Peter Wasserscheid an der Uni Erlangen-Nürnberg steht noch ganz am Anfang.
Worum geht es überhaupt? N-Ethylcarbazol (kurz: Carbazol) ist flüssig und kann wie herkömmlicher Kraftstoff behandelt werden. Der Knackpunkt: Die bisher wenig bekannte Chemikalie speichert Wasserstoff und gibt ihn über ein System im Auto an die Brennstoffzelle – oder auch den Verbrennungsmotor – ab. Anders als Diesel oder Benzin wird das Carbazol selbst dabei nicht verbraucht, es kann immer wieder neu mit Wasserstoff aufgeladen werden.
An der Tankstelle würde das energiearme Carbazol nach dem Konzept der Forscher aus dem Auto abgepumpt und durch frisches, mit Wasserstoff angereichertes, ersetzt. Für den Autofahrer würde sich dabei nur eines ändern: Die Form der Zapfpistole. Die bestehende Tankstelleninfrastruktur könnte – abgesehen von dieser Ausnahme – weiter genutzt werden, sagt Wolfgang Arlt.
Die Erlanger Forscher wollen ihren Wasserstoff aus Sonnen- oder Windenergie gewinnen. Noch an der Windanlage oder am Photovoltaik-Feld soll Carbazol mit Wasserstoff angereichert und in Tanks gespeichert werden. Lastwagen bringen es dann zur Tankstelle.
Tatsächlich klingt das verlockend, denn der reine, hochexplosive Wasserstoff macht den Ingenieuren bisher das meiste Kopfzerbrechen. Er kann nur stark gekühlt oder unter hohem Druck gelagert werden. Darüber hinaus gibt es bisher erst wenige Wasserstoff-Tankstellen.
Die Autobauer bei Daimler und BMW allerdings winken ab. »Das klingt schon gut«, sagt ein BMW-Sprecher. Was in der Theorie gut funktioniere, verursache in Wirklichkeit »viele, viele, viele Probleme«. Die Knackpunkte: Um im Fahrzeug den Wasserstoff aus dem Carbazol herauszulösen, wäre eine deutlich höhere Temperatur notwendig als die 80 Grad Celsius, bei denen die Brennstoffzelle der Daimler-Autos läuft, sagt die Sprecherin des Stuttgarter Autobauers. Der zusätzliche Aufwand wäre hoch. Außerdem müsse der so gewonnene Wasserstoff gereinigt werden, um die Membranen der Brennstoffzelle nicht zu beschädigen.
Und: Ein Auto bräuchte pro 100 Kilometer doppelt so viel Carbazol wie Superbenzin. Zudem wird der Wasserstoff aus Carbazol vergleichsweise langsam freigesetzt, das Auto lässt sich nicht so schnell beschleunigen, heißt es bei Daimler. Auch Forscher Arlt räumt ein: »Das ist intolerabel.«
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