Panzerschlacht im Parlament
Opposition wollte Rüstungsdeal mit Saudi-Arabien stoppen / Schwarz-gelbe Koalition wies Anträge ab / Leoparden schon bald vor Ort im Test?
»Es ging ja noch mal munter zu«, fasste Bundestagsvize Wolfgang Thierse, der gestern die Aussprache leitete, zusammen – um dann mit Kollegen über deren Urlaubspläne zu reden. In der letzten Plenardebatte vor den parlamentarischen Sommerferien hatte die Opposition die Regierung aufgefordert, den geplanten Export von Leopard-Kampfpanzern nach Saudi-Arabien zu verhindern. Das Geschäft war vom geheim tagenden Bundessicherheitsrat unter Vorsitz der Kanzlerin abgenickt worden.
Linksfraktionschef Gregor Gysi nannte die Exportabsicht einen »einzigartigen Skandal«. Die schwarz-gelbe Koalition mache sich »restlos unglaubwürdig«, wenn sie auf der einen Seite die arabische Demokratiebewegung verbal unterstütze, auf der anderen Seite jedoch deutsche Panzer liefere, mit denen auf eine mögliche Demokratiebewegung in Saudi-Arabien geschossen werden kann. »Stoppen Sie diese Irrfahrt!«, forderte auch SPD-Chef Sigmar Gabriel. Gegen den Deal wandten sich auch die Grünen.
Lange Zeit ohne Beisein der Kanzlerin und des Außenministers sprachen Unions- und FDP-Experten »pro Export«. Wenngleich beispielsweise Roderich Kiesewetter (CDU) »mangelnde Transparenz« im Entscheidungsverfahren einräumte. Dennoch müsse man in der Außen- und Exportpolitik »den Spannungsbogen zwischen Werten und Interessen« aushalten.
Offenbar verfolgt die Bundesregierung – die sich auch gestern nicht erklärte – bei der umfangreichen militärischen Zusammenarbeit mit Riad mehrere Interessen: Erstens sichert man sich Zugang zu Öl. Zweitens stärkt man die geheimdienstliche Zusammenarbeit. Drittens – und das sichert das Wohlwollen der USA und Israels – baut man Saudi-Arabien als Gegengewicht zu Iran aus. Das ist ein riskantes »Spiel«. Der Westen hatte schon einmal Irak gegen Iran und Afghanistan gegen die Sowjetunion in Stellung gebracht. Entstanden sind neue Kriegs- und Krisengebiete. Viertens erweist man der deutschen wehrtechnischen Industrie profitable Gefallen.
In jedem Fall ist Kritik am Verkauf von 200 Panzern an das die Menschenrechte missachtende saudische Regime berechtigt. Und sei es, weil anstelle der üblichen Leopard-Version A6 der A7+/PSO geliefert werden soll. Der Panzer ist eindeutig nicht für Feldschlachten, sondern für Einsätze in urbanem Umfeld ausgelegt. Der Militärexperte Thomas Wiegold veröffentlichte in seinem Internetblog ein Foto, das zeigt, wie die Bundeswehr selbst bereits 2007 die Stadtkampfmaschine bei einer Informations-Lehrübung als Waffe gegen Demonstranten vorführt.
In der gestrigen parlamentarischen Panzerschlacht warf insbesondere der FDP-Abgeordnete Martin Lindner den Kollegen von SPD und Grünen Heuchelei vor. In ihren Regierungszeiten hatten auch sie Exporte in Unrechtsregimes genehmigt. Auch nach Saudi-Arabien. Zu Hochzeiten von Rot-Grün, beispielsweise 2004, genehmigte das Schröder-Fischer-Kabinett Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien im Wert von 1 047 128 Euro. Darunter waren Kommunikationsgeräte, Maschinenpistolen, Munition, Technologieunterlagen zur Herstellung von Handfeuerwaffen sowie Flugzeugteile.
In den vergangenen zehn Jahren wurden an das Herrscherhaus deutsche Waffen im Wert von 39 Millionen Euro geliefert. Es hätten noch mehr sein können Seit 1999 lagen Genehmigungen für Waffen-Exporte im Wert von 700 Millionen Euro vor. Der gestrige Einwurf von Grünen-Chefin Claudia Roth, man habe die Exportrichtlinien verschärft, erweist sich als Bumerang. 2002 wurden Rüstungsgüter für 300 Millionen Euro ausgeführt, ein Jahr nach der »Verschärfung« standen 1,5 Milliarden an.
Die getrennten Oppositionsanträge wurden in namentlichen Abstimmungen abgewiesen. Für den Antrag der SPD waren 245 Abgeordnete, 298 dagegen. Für den Antrag der Grünen stimmten 243 Parlamentarier, 297 dagegen, 2 enthielten sich. Für den Antrag der LINKEN votierten 135 Abgeordnete. Darunter waren keine Unions- oder FDP-Vertreter, wohl aber 12 SPD- und 60 Grünen-Abgeordnete. Es gab 107 Enthaltungen und 300 Nein-Stimmen.
Einige Oppositionspolitiker setzen auf juristischen Widerstand gegen die Geheimniskrämerei der Regierung. Der Grünen-Abgeordnete Volker Beck stellte Strafanzeige gegen Unbekannt beim Panzerhersteller Krauss-Maffei Wegmann. Ein Firmensprecher erwiderte, man habe sich »immer streng gesetzestreu verhalten und wird dies auch in Zukunft tun«. Hans-Christian Ströbele (Grüne) will möglicherweise Verfassungsklage erheben. Er hat Informationen, wonach erste Panzer angeblich in Kürze zu Testzwecken in den Wüstenstaat geliefert werden.
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