Krisentreffen der Finanzjongleure in Brüssel
Ratingagenturen verstärkt in der Kritik / Spekulationen über höheren Euro-Rettungsschirm
Brüssel (Agenturen/ND). Die Euro-Staaten wollen dem verschuldeten Griechenland rasch ein neues Hilfspaket anbieten. Eine Ausbreitung der Krise auf andere Länder wie Italien müsse unbedingt verhindert werden, berichteten Diplomaten am Montag am Rande einer Sitzung der Euro-Finanzminister in Brüssel. Ein endgültiges Ergebnis wird aber erst im September erwartet. Die Schuldenkrise stand auch im Fokus eines Treffens zwischen EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy, EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, EU-Währungskommissar Olli Rehn, EZB-Präsident Jean-Claude Trichet und Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker.
Das Angebot eines neuen, möglicherweise bis 120 Milliarden Euro schweren Pakets für Griechenland wollten die Minister schriftlich zusichern, auch um die Finanzmärkte zu beruhigen. Steigende Risikoaufschläge für italienische Staatsanleihen führten in Brüssel zu erheblicher Unruhe. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte das Parlament in Rom auf, dem geplanten Sparpaket von rund 40 Milliarden Euro zuzustimmen.
Bei dem Treffen wurde deutlich, dass Kernfragen des neuen Griechenland-Notplans weiter umstritten sind. Insbesondere die Einbeziehung von Banken und Versicherungen ist umstritten. Deutschland, die Niederlande und Finnland pochen darauf, dass die Privatgläubiger einen »substanziellen Anteil« an dem Paket stemmen.
Ratingagenturen hatten allerdings signalisiert, dass sie auch ein freiwilliges Mitziehen der Banken als einen teilweisen Zahlungsausfall bewerten würden. Diese Ankündigungen und die Herabstufung mehrerer Länder führt indes zu weiterer Kritik. Die EU-Kommissarin Viviane Reding brachte in der »Welt« die Zerschlagung der Ratingagenturen ins Spiel. Binnenmarktkommissar Michel Barnier regte an, die Bewertung der Kreditwürdigkeit von Staaten zu verbieten, die Finanzhilfe aus internationalen Kreditprogrammen bekommen. »Europa darf sich den Euro nicht von drei US-Privatunternehmen kaputt machen lassen«, kritisierte Reding mit Blick auf Standard&Poor's, Moody's und Fitch. Es dürfe nicht sein, dass »ein Kartell« dreier Unternehmen über das Schicksal von Volkswirtschaften entscheide. Reding schlug zwei Lösungen vor. »Entweder beschließen die G 20-Staaten gemeinsam, das Kartell der drei US-Ratingagenturen zu zerschlagen«, sagte sie der »Welt«. So könnten die USA etwa aufgefordert werden, aus den drei Ratingagenturen sechs zu machen. »Oder es werden unabhängige europäische und asiatische Ratingagenturen geschaffen.« Die Gründung einer europäischen Ratingagentur ist bislang aber am mangelnden politischen Willen gescheitert. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) erneuerte seine Forderung, das Oligopol der Ratingagenturen aufzubrechen. Zudem solle geprüft werden, »ob es missbräuchliches Verhalten gibt«, sagte Schäuble.
Mehrere Minister wiesen Spekulationen zurück, wonach der schon aufgestockte Euro-Rettungsschirm gegebenenfalls auf bis zu 1,5 Billionen Euro verdoppelt werden solle. »Davon kann überhaupt keine Rede sein«, sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble. Die Europäische Zentralbank (EZB) ist angeblich von der immensen Verschuldung Italiens höchst alarmiert. Nach Medienberichten halten es die Währungshüter für nötig, den Schirm aufzustocken.
In Griechenland soll jetzt verstärkt mit der Privatisierung begonnen werden. Der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos gab in Athen die Führung einer griechischen »Kasse zur Verwertung staatlichen Vermögens« bekannt. Sie soll in den kommenden vier Jahren Staatsbesitz im Wert von 50 Milliarden Euro verkaufen.
Die Ressortchefs unterzeichneten zudem den Vertrag zur Schaffung des neuen Krisenfonds für Euro-Wackelkandidaten (ESM). Er soll zum 1. Juli 2013 die derzeitige europäische Finanzfeuerwehr EFSF ablösen.
Tagesthema Seite 2
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