Es geht um mehr als ein paar Boote
Das Geschäft mit den Kriegswaffen ist schon lange eingefädelt, nun soll Merkel Druck machen
Mit Datum vom 24. Februar 2009 schrieben sechs deutsche Hilfsorganisationen einen Brief an »Herrn Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg«. Anlass: der Besuch des angolanischen Präsidenten José Eduardo dos Santos in Deutschland. Inhalt: »Da wirtschaftliche Entwicklung eine wichtige Grundlage für Armutsbekämpfung ist, begrüßen wir grundsätzlich die Stärkung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Angola ... Aus unserer Sicht sollte sich die Zusammenarbeit beider Länder nicht nur auf die Wirtschaftsförderung beschränken, sondern die Entwicklung Angolas und die Armutsbekämpfung in den Vordergrund stellen.«
Wieso schrieben sie das an zu Guttenberg? Der war damals Verteidigungs-, nicht Außen-, Wirtschafts- oder Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Die Adresse war mit Bedacht gewählt. Der Besuch dos Santos', dem die Kanzlerin versicherte, dass Angola ein »strategischer Partner Deutschlands« bleibt, galt vor allem Rüstungsgeschäften. Diktatur hin oder her: Erdöl ist – wie auch im Falle des Leopard-Exportes nach Saudi-Arabien – ein wichtiges Argument.
Spätestens seit 2005 weiß man, dass hochrangige angolanische Militärs und führende Leute deutscher Rüstungsfirmen in Kontakt stehen. Schon 2006 hat man bei Blohm & Voss in Hamburg und bei Thyssen Krupp Marine Systems (TKMS) über den Verkauf von Korvetten nach Angola sinniert. In Luanda wurden die Möchte-gern-Verkäufer beim Chef des Militärbüros des angolanischen Präsidialamtes, General Manuel Hélder Vieira Dias, vorstellig. Ihre Offerte: ein Korvetten-Paket im Wert von 700 Millionen US-Dollar.
Manuel Hélder Vieira Dias Junior, genannt Kopelipa, ist Mitglied der Regierungspartei MPLA und hat schon diverse Geheimdienste geleitet, denen man keinesfalls das Attribut demokratisch geben darf. Hélder Vieira Dias ist auch Direktor des Büros für den nationalen Wiederaufbau und so direkt verantwortlich für die profitable Zusammenarbeit mit China, die dem Westen in ganz Afrika zunehmend Sorge bereitet.
Noch während des Bürgerkrieges hat Kopelipa die Firma »Simportex« aufgebaut und das Monopol für die Versorgung der Streitkräfte erhalten. Niemand, der in Angola ins Geschäft kommen will, kann an Kopelipa vorbei, ohne die Taschen zu erleichtern, behaupten Insider. Ende der 90er Jahre beschaffte der General in der Schweiz Rüstungsgüter der Firma RUAG. Zum einen Panzer und zum anderen kaufte er Minenräumtechnik ein. Der letztere Vertrag stammt vom 1. November 2005 und bezog auch die deutsche Firma »Minewolf« ein. Die Umstände, unter denen der Deal zwischen Angola und der RUAG zustande gekommen ist, bleiben trotz Nachfragen beim Nationalrat dubios. Nicht nur, weil der »humanitäre« Vertrag mit einer Firma geschlossen wurde, die selbst Streubomben produziert.
Bei den Schweiz-Geschäften flossen hohe Kommissionssummen. Hoch kam Korruptionsvermutung im Zusammenhang mit einer fälligen Rückzahlung einer angolanischen Schuld an Russland. Internationale Finanzgeschäfte gehen oft seltsame Wege. Die Staatsanwaltschaften in Bern und Genf interessierten sich – mit nachlassendem Engagement.
Die Staatsanwaltschaft in Düsseldorf wurde hellhörig, als vier TKMS-Korvetten an die südafrikanische Marine geliefert wurden, die ebenfalls auf reichlichen Kommissionsgeldern schwammen. In dem Zusammenhang kamen Fragen zum möglichen Angola-Geschäft auf, die jedoch unbeantwortet blieben. Stets mit im sprichwörtlichen Boot war die Bremer Lürssen-Werft, die so schöne Prospekte für schnelle Jachten verteilt und nun zusätzlich Geschäfte von Thyssen- Krupp übernehmen könnte.
Obwohl in Merkels Delegation auch der Chef der Bremer Lürssen Werft, Friedrich Lürßen, mitreist, übernahm die Kanzlerin den wichtigsten Teil der Produktwerbung und machte Druck. Man wolle »Patrouillenschiffe für die Grenzsicherung« liefern. »Angola gehört zu den Ländern in der Afrikanischen Union, die sich für Stabilität einsetzen«, sagte Merkel. »Wir helfen bei der Ausbildung der Streitkräfte.« Diese müssten sich nach den Bürgerkriegen darauf vorbereiten, Sicherheitsmissionen zu übernehmen. Das entlaste die Europäer.
Dann wurde sie noch konkreter: Die deutsche Regierung sei »zu einer Energie- und Rohstoffpartnerschaft« mit Angola bereit. Im Gegenzug könne Deutschland Hilfe bei Infrastrukturprojekten, im Bildungsbereich und der Landwirtschaft leisten. Kurzum: Es gibt – wenn die Angolaner endlich das Kriegsschiffprojekt abnicken – wesentlich mehr zu verdienen als nur 60 Millionen Euro für ein paar nun vermutlich kleinere Korvetten.
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