Besser leben – im Sozialismus

Der kubanische Bandsänger Israel Rojas über kluge Hoffnung und dumme Dissidenz

  • Lesedauer: 4 Min.
Israel Rojas ist neben Yoel Martínez Leadsänger der kubanischen Band »Buena Fe«. Die Gruppe tritt an diesem Wochenende in Berlin auf – bei der jährlichen Feier von »Cuba Sí«.
Besser leben – im Sozialismus

ND: Kuba befindet sich derzeit in einem umfassenden wirtschaftlichen Reformprozess. Vor allem für die Jugend ist die Situation schwierig, weil der Binnenmarkt kaum Berufschancen bietet. Haben Sie Hoffnung in die angestoßene Reformdebatte?
Rojas: Ja, diese Hoffnung habe ich. Die Lage in Kuba war nie einfach. Seit dem Sieg der Revolution 1959 gab es immer wieder Schwierigkeiten. Es gab die ständige Belagerung des Landes, interne Probleme, die Wirbelstürme. Und es gab Ineffizienz in der Wirtschaftspolitik. Und natürlich macht sich das alles in Kuba besonders bemerkbar, weil es nun mal kein sehr hoch entwickeltes Land ist.

Mit dem Wegfall der sozialistischen Partner in Europa haben sich die Probleme noch einmal verschärft.
Ja, sicher. Heute erinnern wir uns gerne an die 1980er Jahre, als es uns als Mitglied des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe recht gut ging. In den 1990er Jahren dann brach nicht nur die Wirtschaft ein. Auch die Aggression gegen Kuba wurde viel stärker. Und inmitten dieser komplizierten Situation wuchs eine neue Generation heran...

... eine Generation, zu der ja auch »Buena Fe« gehört. Die Band entstand nach den geopolitischen Umbrüchen der Jahre 1989/1990. Sie, Israel Rojas, gehören zu der Generation, die in der Notwirtschaft der »Spezialperiode«, wie es in Kuba heißt, groß wurde. Was verbindet Ihre Altersgruppe heute noch mit der Generation der Staatsgründer, der Aufbaugeneration?
Diese historischen Verbindungen reißen, denke ich, niemals ab, wenn man sich als Teil dieser gesamten Geschichte sieht. Der historischen Generation kommt eine unglaubliche Ehre zu. Was war denn Kuba vor der Revolution, und was bedeutet es seither? Die historische Generation war Teil einer weltweiten Befreiungsbewegung nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der Zerschlagung des Faschismus. Das bedeutet nun nicht, dass wir diejenigen, die an der Revolution beteiligt waren, vergöttern. Es ist aber allen klar, welcher Platz ihnen zukommt – ohne unkritisch mit der Politik jener Jahre umzugehen.

Das wird auch in Ihren Liedtexten deutlich. Dort ist von Misstrauen die Rede, von Ineffizienz, von eigenen Fehlern ...
In Kuba lebt heute eine Jugend, die sich bewusst wird, dass die historische Generation ihre Aufgabe erfüllt hat. Und jetzt fragen sich diese jungen Leute: Was wird unsere eigene Aufgabe sein? Ich spreche über eine Avantgarde der Jugend, die übrigens nicht immer mit den offiziellen Strukturen übereinstimmt, sondern über sie hinausgeht. Aber natürlich leben auch wir in der Globalisierung, die Konsumismus und Statussymbole attraktiv macht.

Kuba ist heute weniger monolithisch als in der Vergangenheit. Es gibt viele Jugendliche, denen das Wohl ihres Landes am Herzen liegt. Die sich freilich nicht als Sozialisten oder Kommunisten sehen, aber die bestimmte Errungenschaften bewahren wollen. Die sich einbringen. Und die weder auf die Propaganda aus Miami noch die viel beworbenen Blogger hören. Für mich ist das die eigentliche demokratische Neuerung in Kuba. Und ich hoffe, dass die offiziellen Strukturen fähig und beweglich genug sind, mit dieser Jugend in Dialog zu treten.

Findet diese Entwicklung auch Ausdruck in Musikgruppen wie »Buena Fe« oder »Los Aldeanos«, die sich in Kuba einer zunehmenden Beliebtheit erfreuen?
Ja, eben weil es eine Jugend in Kuba gibt, die das Land nicht einfach verlassen will. Wir wollen Verbesserungen innerhalb des Sozialismus. Wir möchten, dass die Solidarität zwischen den Nachbarn erhalten bleibt und dass wir im Krankenhaus weiterhin gratis behandelt werden. Aber wir setzen uns eben auch dafür ein, dass sich der Service verbessert und dass die Hospitäler renoviert werden.

Auf eben diese Stimmen reagieren die rechten Organisationen im Exil, indem sie versuchen, jede Kritik für ihre Ziele zu vereinnahmen. Ist das ein Problem für Sie?
Nein, weil sie so dumm sind, dass sie sich nicht einmal untereinander einig werden. Die kubanische Revolution hat vor allem aus einem Grund überlebt: wegen der Einheit. Zugleich aber auch wegen der Dummheit ihrer Gegner. Diese Leute arbeiten sich an Fidel Castro ab, ohne zu verstehen, was wirklich auf der Insel geschieht. Sie verstehen nicht, dass es heute eine neue Generation von Kubanerinnen und Kubanern gibt, die sagt: »Mein Leben ist hier und ich möchte die Lage hier verbessern, ohne Anweisungen aus Miami.«

Und das ist auch das Problem der bezahlten Dissidenz. Es gibt zum Beispiel eine Bloggerin, die im Ausland sehr bekannt ist. In Kuba kann sie kaum jemanden überzeugen, weil sie reine Propaganda betreibt. Ihren Texten zufolge gibt es nichts, aber auch nichts Gutes in Kuba. Die Menschen lesen das und sie merken, wie beeinflusst es ist. Solche Stimmen werden nicht ernst genommen.

Interview: Harald Neuber

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