»Schulgeld durch die Hintertür«
Schleswig-Holstein streitet über Schulwegskosten
Der Dithmarscher gilt als dickköpfig, so wird es seit Jahrhunderten erzählt. Auch aktuell proben die schleswig-holsteinischen Westküstenbewohner mal wieder den Aufstand, indem sie gegen eine Elternbeteiligung an den Schülerbeförderungskosten wehren, die das Land ab August verordnet hat. Und das auffallendste an diesem Protest ist, dass das Parteibuch dabei keine Rolle spielt.
Einstimmig hat der Kreistag von Dithmarschen beschlossen, die Eltern nicht zu belasten und stützt sich dabei auf ein Rechtsgutachten, das zu dem Schluss kommt, dass eine Ungleichbehandlung vorliegt. Schließlich hätten städtische Kinder kürzere Schulwege und damit keine oder geringere Fahrkosten als der Nachwuchs von Eltern aus einem Landkreis, wo gerade die kleine Dorfschule vor Ort schon lange der Vergangenheit angehört. Der Südschleswigsche Wählerverband als Vertreter der dänischen Minderheit spricht von einem »Schulgeld durch die Hintertür», eine Terminologie, die die FDP 2007, als sie noch auf der Oppositionsbank im Kieler Landtag saß, ebenfalls gern verwendete. Uli Schippels, Abgeordneter der Linken: »Bei einkommensschwächeren Bevölkerungsschichten kann schon eine geringe Elternbeteiligung dazu führen, dass die Kinder nicht mehr auf die Schule geschickt werden, die für sie angemessen ist. Sie werden dann auf die Schule geschickt, die am nächsten liegt.«
CDU-Innenminister Klaus Schlie hat jetzt für Dithmarschen eine Gebührensatzung angeordnet, weil der Landrat und die Kreisverwaltung sich dem Beschluss des Kreistages verpflichtet sehen und sich weigern, eine entsprechende Kostenstaffel zu verordnen. Für die Eltern kommen nach dem Machtwort von Schlie nun jährlich Kosten zwischen 50 und 72 Euro zum Tragen. Der Kreis Dithmarschen klagt nun gegen den Eingriff der beim Innenministerium angesiedelten Kommunalaufsicht. Mit einer Entscheidung wird in den nächsten fünf Wochen gerechnet.
Der Kreis wolle kinderfreundlich bleiben, darunter verstehe man Bildung zum Nulltarif, argumentiert man in Dithmarschen. Für den Kreis geht es um eine Summe von rund 200 000 Euro. Schlie hält entgegen: »Das Recht auf Selbstverwaltung bedeutet keinesfalls das Recht auf eine eigene Entscheidung, welche Gesetze man vor Ort beachten möchte und welche nicht.«
Landesweit hat sich bisher auch der Kreis Stormarn geweigert, die Gesetzesvorgabe als Maßnahme des haushaltspolitisch verabschiedeten CDU/FDP-Sparpaketes vor Ort umzusetzen. Der Widerstand ist allerdings anders gewichtet. Mit 25:24 Stimmen wurde dort auf einer zweiten Sondersitzung des Kreisparlaments innerhalb einer Woche der Boykott beschlossen – mit den Stimmen der FDP. Nur die CDU plädierte für eine 20-prozentige Elternbeteiligung. Ein Antrag der Grünen, wie in Dithmarschen nun gegen eine vom Land vorgelegte Gebührentabelle zu klagen, fand keine Mehrheit, weil die SPD sich der Stimme enthielt. Auch für Stormarn hat das Schlie-Ministerium nun eine Gebührenordnung festgelegt. Demnach werden Eltern fürs erste Kind künftig monatlich mit 5,40 bis 8,30 Euro belastet, ein zweites Kind bzw. weitere Kinder bleiben gebührenfrei.
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