Der lange Weg zur Gleichberechtigung
Auch nach zehn Jahren Lebenspartnerschaft wird weiter um Rechte für homosexuelle Paare gestritten
Am 1. August 2001 war es endlich soweit. Gleichgeschlechtliche Partner konnten erstmals nach dem neuen Lebenspartnerschaftsgesetz zumindest eine der Ehe ähnliche Gemeinschaft schließen – zumeist auf dem Standesamt. Für viele homosexuelle Paare war dies ein lang ersehnter Augenblick.
Dass ihnen damit Rechte und Pflichten von Ehepartnern zum Beispiel bei Erbangelegenheiten und Unterhaltszahlungen zustehen, bewertet der Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg als Etappenschritt. Die sogenannte Homo-Ehe sei »ein wichtiger Schritt zur Enttabuisierung homosexueller Beziehungen gewesen«, sagte kürzlich der Geschäftsführer des Verbandes, Jörg Steinert.
Aber nur eine Minderheit entscheidet sich für die Lebenspartnerschaft. Laut Statistischem Bundesamt waren 2009 rund 19 000 gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften eingetragen, davon 12 000 zwischen Männern und 7000 zwischen Frauen. 5000 Partnerschaften waren wieder geschieden. Das Statistische Bundesamt geht von insgesamt etwa 44 000 homosexuellen Paaren aus, die keine Lebenspartnerschaft eingegangen sind, aber in einem gemeinsamen Haushalt leben.
Ein Grund dafür ist, dass trotz weiterer rechtlich erstrittener Verbesserungen, wie etwa bei der betrieblichen Hinterbliebenenrente, eine vollständige Gleichstellung mit heterosexuellen Ehepaaren noch immer nicht realisiert wurde. Lebenspartner werden unter anderem bei der Einkommensteuer benachteiligt. Zudem wird seit Jahren über das Adoptionsrecht gestritten. Sie können Kinder nicht gemeinsam adoptieren. Jedoch ist eine Stiefkindadoption des leiblichen Kindes des Partners möglich.
Die Union sträubt sich derzeit gegen eine Gleichberechtigung für homosexuelle Paare. Sie hatte sich gemeinsam mit kirchlichen Kreisen vor zehn Jahren ausdrücklich gegen das von der damaligen rot-grünen Bundesregierung verabschiedete Gesetz ausgesprochen. Die von der CSU bzw. CDU regierten Länder Bayern und Sachsen versuchten sogar, das Gesetz durch einen Eilantrag zu stoppen.
Inzwischen hat sich die CDU aber dazu durchgerungen, »die Entscheidung von Menschen, die in anderen Formen der Partnerschaft als der Ehe« leben wollen, zu respektieren. Andererseits stemmt sich die Union vor allem gegen eine Liberalisierung des Adoptionsrechts. Die einst radikale Hüterin der christlichen Familie meint dies damit begründen zu können, dass das Grundgesetz Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, wies dagegen darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht in zwei Grundsatzentscheidungen deutlich gemacht habe, dass eine Ungleichbehandlung und Diskriminierung nicht zu rechtfertigen sei. Zudem zeigen Studien, dass Kinder mit homosexuellen Eltern ebenso gut aufwachsen wie mit heterosexuellen Eltern. Auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes setzt sich deswegen für das volle Adoptionsrecht und die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ein.
Der politische Streit geht nun in eine neue Runde. Ende Juni brachten die Grünen einen Gesetzentwurf zur Öffnung der Ehe in den Bundestag ein. Denn die Lebenspartnerschaft sei mehr Sondergesetzgebung als Gleichstellung. Unterstützung erhalten sie dabei von der LINKEN. Die SPD hat sich bisher zwiespältig verhalten. Kürzlich beschloss das von den Sozialdemokraten regierte Hamburg zwar zu diesem Punkt eine Bundesratsinitiative, aber die SPD-Bundestagsfraktion hatte erst Anfang Juni gemeinsam mit Union und FDP gegen einen Antrag der Linkspartei zur Öffnung der Ehe für Homosexuelle gestimmt.
Andere Länder sind hier viel weiter. »Die Niederlande, Belgien, Schweden, Norwegen, aber auch Südafrika, Mexiko oder Argentinien haben die Ehe für lesbische und schwule Paare geöffnet«, sagte Volker Beck. In demokratischen Staaten werde dies immer mehr die Regel als die Ausnahme.
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