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Das Recht aufs Anderssein

Der 9. August gilt als der Internationale Tag der indigenen Völker

  • Hannelore Gilsenbach
  • Lesedauer: 4 Min.
Viele Indigene fürchten um ihr Land, ihre Kultur oder haben beides bereits eingebüßt. Andere pflegen noch immer den Lebensstil ihrer Ahnen. Einige verbergen sich bis heute vor unserer Welt. Seit 1993 wird am 9. August der Tag der Indigenen begangen.
Mutter und Kind der Penan in Sarawak auf der Insel Borneo
Mutter und Kind der Penan in Sarawak auf der Insel Borneo

Im medialen Fokus stehen sie selten: die indigenen Völker. Sie sind auf allen Kontinenten zu Hause, verteilt über 76 Staaten. Man schätzt sie auf 5000 Völker und 300 Millionen Menschen. Nach Survival International leben davon 150 Millionen in »Stammesgesellschaften«. Diese zählen mehrere Tausend, einige Hundert, manche nur noch wenige Überlebende.

1993 hat die UN-Menschenrechtskonferenz den 9. August den Indigenen, den Nachfahren der Ureinwohner gewidmet – den Kayapo, Yanomami, Mapuche, Tarahumara, Inuit, Navajo, San, Kondh, Asmat … Die Konferenz tagte damals in Wien, und sie erklärte den Zeitraum von 1994 bis 2004 zur UN-Dekade der indigenen Völker. Die Adressaten waren vor allem Regierungen. Kein Ehrentag, kein ehrendes Jahrzehnt war auszurufen, sondern eher ein Katalog an Forderungen. Viele indigene Völker sind in rohstoffreichen Zonen zu Hause. In Zeiten ungehemmter Wirtschafts-Globalisierung gewinnt der Kampf um ihre Rechte überlebenswichtige Brisanz. Doch wer soll ihn führen?

Die einzige internationale Norm, die indigenen Völkern Schutz und Ansprüche zusichert, ist eine Konvention der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Die Sonderorganisationen der UNO verabschiedete 1989 die Übereinkunft Nr. 169 über indigene und in Stämmen lebende Völker. In 44 Artikeln nennt sie die Grundrechte der Indigenen – Anspruch auf Land und Zugang zu Ressourcen, auf die eigene Kultur, auf Traditionen und Sprache, auf eigene Entscheidungen über die Zukunft ihrer Völker. Bei Entwicklungsvorhaben in indigenen Siedlungsgebieten sind Anhörungs- und Beteiligungsverfahren vorgeschrieben.

Welches Gewicht die 193 Mitgliedsstaaten der UNO dem Thema beimessen, zeigt die Zahl jener Länder, die bislang die ILO-Konvention 169 ratifiziert haben. Es sind lediglich 20: Argentinien, Bolivien, Brasilien, Kolumbien, Chile, Costa Rica, Dänemark, Dominikanische Republik, Ecuador, Fidschi, Guatemala, Honduras, Kolumbien Mexiko, Nepal, Niederlande, Nicaragua, Norwegen, Paraguay, Peru, Spanien, Venezuela, Zentralafrikanische Republik. Deutschland und andere europäische Industriestaaten weigern sich zu unterzeichnen, obwohl ihre Firmen weltweit und auch in indigenen Gebieten agieren.

Die UN-Dekade der indigenen Völker blieb eine gut gemeinte Absicht. Selbst aus den Unterzeichnerländern der ILO-Konvention – zim Beispiel Paraguay, Peru, Brasilien – kamen wenig positive Meldungen. Stattdessen blieben Vertreibung, Gewalt, Landraub an der Tagesordnung. Menschenrechtsorganisationen, allen voran Survival International, hielten mit Briefkampagnen dagegen, mit Rechtsbeistand und Gerichtsklagen. Sie erreichten manche Erfolge. Doch die Bilanz blieb düster, so dass sich die UNO 2005 zu einer zweiten Dekade der Indigenen entschloss. 2002 hatte sie ein Ständiges Forum für indigene Angelegenheiten ins Leben gerufen. 2007 verabschiedete die UN-Vollversammlung die Deklaration für die Rechte indigener Völker.

Ureinwohner tragen durch ihren Lebensstil zur biologischen und kulturellen Vielfalt der Erde bei. Ein Schatz an sich? Welche Chancen haben sie, nachdem auf höchster politischer Ebene viel gewichtiges Papier beschrieben wurde?

Drei aktuelle Beispiele aus Äthiopiens Omo-Tal, von Indiens Andamanen-Inseln und aus den Regenwäldern Borneos werfen ein Blick auf die Realität jenseits des Papiers. Der mächtige Omo-Fluss im Südwesten Äthiopiens ist die Lebensader für 200 000 Indigene, Angehörige der Mursi, Bodi, Daasanech, Karo, Kwegu Nyangatom, Hamar, Chai. Ihr traditionelles Dasein wird bald ein Ende finden – durch Staudämme, vor allem den im Bau befindlichen Gibe III – dem höchsten Staudamm Afrikas. Er wird die jährliche Überflutung des Omo-Tals verringern, die für Feldbau und Viehzucht der Indigenen unerlässlich ist. Gibe III soll Strom exportieren und Großplantagen bewässern – auf indigenem Land, das die Regierung schon an malaysische, italienische, koreanische Firmen verpachtet. Echte Konsultationen mit den Völkern des Omo-Tals gab es nicht; die Polizei unterdrückt jeden Widerstand.

Auf den Andamanen-Inseln leben die letzten 365 Jarawa-Ureinwohner, Jäger und Sammler, deren frühe Vorfahren aus Afrika kamen. Bis 1998 vermieden sie jeden Kontakt zur Außenwelt. Heute ist ihr Wald von einer Fernstraße zerteilt, die nicht nur schaulustige Touristen für »Menschensafaris« anlockt. Sie bringt auch Wilderer in ihr Reservat und Krankheiten, gegen die Jarawa keine Immunität besitzen. 2002 verfügte der Oberste Gerichtshof Indiens die Schließung der Straße. Vergeblich.

Der Regenwald in Sarawak auf Borneo ist der Lebensraum der Penan, einer uralten Jäger- und Sammlerkultur. Die malaysische Regierung erkennt ihnen keine Landrechte zu. Über Jahrzehnte erlaubte sie den kommerziellen Holzeinschlag im Land der Ureinwohner, die großflächige Vernichtung des Primärwaldes. Proteste und Blockaden der Penan liefen ins Leere. Nun geht es um die Ausweitung der Palmölplantagen und um den Bau von 12 Staudämmen. Am ersten, dem Murum-Damm, baut bereits eine chinesische Firma. Sechs Penan-Dörfern steht jetzt die Räumung bevor.

www.survivalinternational.de

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