Sarkozy kämpft um den Euro
Ausgeglichenes Budget soll in die Verfassung
An der Côte d’Azur, wo Nicolas Sarkozy die Ferien verbringt, hat der Präsident einen großen Teil des vergangenen Wochenendes am Telefon verbracht. Das Ergebnis war ein gemeinsames Kommuniqué mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, das der Destabilisierung des Euro entgegenwirken und die Finanzmärkte beruhigen sollte. Sarkozy will aber weder seinen Urlaub abkürzen noch sich über die Medien persönlich an die Franzosen wenden. »Das würde als Zeichen von Nervosität gewertet und wäre ein falsches Signal zum gegenwärtigen Zeitpunkt«, meint einer seiner Berater.
Wirtschafts- und Finanzminister François Baroin, dem der Präsident in diesen Tagen das Wort in der Öffentlichkeit überlässt, gibt diplomatisch zu bedenken, dass »die Uhren der demokratischen Politik anders gehen als die hektischen Computer-Klicks der Operateure der Finanzmärkte«. Dagegen nennen Oppositionspolitiker die Dinge beim Namen: »Die seit drei Jahren überfälligen Maßnahmen zur Regulierung der Finanzmärkte stehen immer noch aus, so dass ganz Europa immer mehr gefährdet ist«, schätzt die Parteivorsitzende der Sozialisten, Martine Aubry, ein. Parteigenosse Arnaud Montebourg ist überzeugt, dass die Herabstufung der Bonität der USA durch eine Ratingagentur »ein neuerlicher und nicht hinnehmbarer Angriff der Finanzmärkte auf die Staaten, ihre demokratischen Entscheidungen und ihre Steuerzahler« ist.
Es zeichnet sich immer mehr ab, dass die Krise um den Euro und damit die wirtschaftliche Zukunft Europas zu einem der beherrschen Themen des Präsidentschaftswahlkampfes 2012 werden dürfte, wo Nicolas Sarkozy seine Wiederwahl anstrebt. Bisher spielten ihm die Wirtschafts- und die Euro-Krise eher in die Hand, denn durch seine Initiativen – nicht zuletzt als Präsident der G8- und G20-Staatenrunden – konnte er sich als Staatsmann von internationalem Rang profilieren und bei den Franzosen verlorengegangene Sympathiepunkte zurückgewinnen. Doch jetzt spitzt sich die Lage auch für Sarkozy gefährlich zu. In Frankreich bleibt das Wirtschaftswachstum weit hinter den vollmundigen Prognosen der Rechtsregierung zurück, und die Arbeitslosigkeit, die Anfang des Jahres leicht zurückgegangen war, steigt wieder kräftig an. Wenn jetzt der Euro und mit ihm die europäische Wirtschaft ins Schleudern gerät, kann dies Sarkozy schnell um seine Wahlaussichten bringen.
Um dem entgegenzuwirken und ein Zeichen zu setzen, will der Präsident in der Verfassung eine »Goldene Regel« verankern, derzufolge der Staatshaushalt künftig ausgeglichen sein muss und die Gesamtverschuldung schrittweise abzubauen ist. Doch für eine Verfassungsänderung wäre im Kongress, der feierlichen gemeinsamen Sitzung beider Parlamentskammern im Schloss von Versailles, eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich. Dabei wäre Sarkozy auf die Sozialisten angewiesen. An sie appelliert er denn auch in einem an alle Parlamentarier gerichteten Brief, einer »parteienübergreifenden Interessen-Union« zuzustimmen. Eine Antwort liegt schon vor: »Wir sind nicht bereit, Hilfestellung zu leisten, wenn sich Sarkozy, der in seiner Amtszeit durch Steuergeschenke an die Reichen und die Besserverdienenden die Staatsverschuldung verdoppelt hat, jetzt als besonnenes und sparsames Staatsoberhaupt darstellen will«, so der Sprecher der Sozialisten, Benoît Hamon.
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