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Arla und DMB: Riesiger Molkereikonzern im Entstehen
Wegen der Fusion von Arla und DMB sorgen sich Bauern um Preise, Gewerkschaft um Arbeitsplätze
Es ist ein Dauerbrenner in der deutschen Landwirtschaft: Milchbäuerinnen und -bauern ist der Preis zu niedrig. So sanken die Preise für Milch im Februar gegenüber Januar um 0,2 Prozent, während die Erzeugerpreise aller landwirtschaftlichen Produkte um 1,5 Prozent stiegen, teilte das Statistische Bundesamt am Montag mit. Im vergangenen Jahr schwankte der Milchpreis, den die Erzeuger erhielten, nach Angaben des Bundesinformationszentrums Landwirtschaft in Bonn zwischen 45 und 55 Cent pro Kilogramm (etwa 0,97 Liter). Für Biomilch gab es rund 20 Prozent mehr.
Eine Folge der aus Sicht der Agrarwirtschaft relativ geringen Milchpreise ist eine von Tierschützern und Landwirten gleichermaßen beklagte landwirtschaftliche Industrialisierung. Damit sich Viehwirtschaft auszahlt, sind Stückzahlen von 100 und mehr Kühen pro Stall notwendig, erzählen Landwirte. Kleinteilig ist die bäuerliche Struktur vor allem in süddeutschen Bundesländern. Zu den Gründen der Niedrigpreise gehören die Macht der Lebensmittelkonzerne, die geringere Nachfrage wegen des Trends zu veganen Milchalternativen und die Geiz-ist-geil-Mentalität vieler Verbraucher.
Ein weiterer zentraler Aspekt ist die Struktur der Molkereiwirtschaft. Die wichtigsten Abnehmer der Rohmilch verarbeiten diese zu Joghurt, Käse und Proteinkonzentraten für die Kosmetikindustrie. Nur jeder zehnte Liter wird als Trinkmilch verkauft. »Die wenigen großen Molkereien bestimmen schon jetzt über die Verarbeitung und Vermarktung deutscher Rohmilch und somit über das Auskommen der Viehhalter«, lässt sich der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels in Berlin zitieren.
Und das dürfte sich noch zuspitzen: Vor wenigen Tagen wurden Fusionspläne des Deutschen Milchkontors (DMK) und der dänisch-schwedischen Arla Foods bekannt. Diese begründen den Zusammenschluss zur größten Molkereigenossenschaft Europas in einer gemeinsamen Erklärung mit »sich ergänzenden Stärken« und besseren finanziellen Möglichkeiten für Investitionen. Arla und DMK arbeiten bereits in mehreren Projekten und Standorten zusammen, etwa bei der Herstellung von Mozzarella.
Arla ist der weltweit siebtgrößte Molkereikonzern und befindet sich im Eigentum von 7600 Landwirten in zahlreichen europäischen Ländern. DMK aus dem niedersächsischen Zeven verarbeitet als größtes deutsches Molkereiunternehmen Milch von 4600 Landwirten unter anderem aus Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen. Bekannt ist es durch Marken wie Milram, Oldenburger und Babynahrung von Humana.
Beschäftigte und ihre Gewerkschaft sind von der geplanten Fusion irritiert. »Mit der Transaktion entsteht einer der größten Molkereikonzerne der Welt, der dann jährlich mehr als 15 Milliarden Liter Milch verarbeitet und seine Marktposition in Europa und der Welt signifikant verstärkt«, so die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Sie sorgt sich vornehmlich um die seit Langem tariflich gesicherten Arbeitsplätze bei DMK und Arla.
Erzeuger machen sich derweil Gedanken um die Macht der Molkereien und damit um die zukünftigen Preise für ihre Rohmilch. »Was hier als Vereinigung gemeinsamer Werte und Stärken verkauft wird, ist in Wahrheit eine Machtkonzentration, die den Wettbewerb um Rohmilch weiter einschränkt und die Abhängigkeit der Milchviehhalter von wenigen Großkonzernen verstärkt«, heißt es beim Bundesverband Deutscher Milchviehhalter in Berlin. Der neue Großkonzern mit 28 000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von rund 20 Milliarden Euro nähme allein deutlich mehr Rohmilch ab als die drei dahinter liegenden Großmolkereien zusammen.
»Die wenigen großen Molkereien bestimmen schon jetzt über das Auskommen der Viehhalter.«
Bundesverband des Lebensmittelhandels
Große Genossenschaftsmolkereien haben sich bisher als »Verhinderer« herausgestellt, heißt es bei der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (ABL). Landwirte können nicht über Preise, Mengen und Laufzeiten verhandeln, sondern liefern zunächst die Milch und erfahren dann erst Wochen später von der Molkerei den Preis. »Bisher haben neue Molkereiriesen ihre Monopolstellung weniger dafür genutzt, um bei ihren Abnehmern höhere Preise im Sinne ihrer Genossenschaftsmitglieder durchzusetzen«, so die ABL. »Sondern sie haben sich gegen uns Milchbäuerinnen und -bauern gestellt.« So zahle der DMK oft besonders niedrige Preise. Verbraucher bräuchten mehrere kleinere und regional ausgerichtete Molkereien, dringt der alternative Bauernverband auf politische Reformen.
Deutsche Großmolkereien agieren global. Etwa die Hälfte ihrer Milchprodukte wird exportiert. Auch Arla mit Sitz im dänischen Viby verkauft in über 100 Ländern. Der Weltmarkt – einer der größten Kunden ist China – gilt als preisgetrieben, was im Trend zu niedrigen Erzeugereinnahmen führt, und als volatil, also schwankungsanfällig. Entsprechend groß ist der Druck, den Molkereien auf Bauern ausüben.
Mitte Juni sollen die Vertreterversammlungen der beiden Genossenschaften über die Fusion abstimmen. Der Konzern soll unter dem Namen Arla firmieren. Außerdem bedarf es noch der Genehmigung durch die Kartellbehörden in mehreren Ländern – angesichts der drohenden Marktmacht dürften sie einen strengen Blick auf den Zusammenschluss werfen.
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