Zeitungsredaktionen im Streik

Berufsjahre abgewertet: Angebot der Zeitungsverleger empört im aktuellen Tarifkampf

Blick in den Newsroom einer deutschen Tageszeitung
Blick in den Newsroom einer deutschen Tageszeitung

Aus Protest gegen drastische Forderung der Tageszeitungsverleger nach massiven Gehaltssenkungen haben am Freitag auch in Nordrhein-Westfalen Redakteur*innen die Arbeit niedergelegt. Die Deutsche Journalisten-Union in Verdi und der Deutsche Journalisten-Verband haben zu diesem ersten Warnstreik im aktuellen Tarifkonflikt aufgerufen. Die Verhandlungen zwischen dem Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) und den Gewerkschaften stocken derzeit in der vierten Verhandlungsrunde.

Peter Freitag, Mitglied im Landesvorstand der dju NRW und stellvertretender Bundesvorsitzender der DJU in Verdi, sagt »nd«: »Die Kolleg*innen sind sauer, weil das bislang vorliegende Angebot des BDZV noch nicht einmal für einen Inflationsausgleich sorgen würde.« Vielmehr kommt die Arbeitgeberseite mit Gegenforderungen um die Ecke, die zu massiven Gehaltseinbußen führen würden. »Sie nennen es Reform der Berufsjahrestaffel, tatsächlich ist es Tarifpolitik mit der Abrissbirne«, so Freitag, selbst Redakteur beim Kölner Stadt-Anzeiger.

Das Angebot des BDZV sieht derzeit vor, dass Redakteur*innen in der weit verbreiteten Gehaltsstufe 2b im Laufe von 16 Jahren rund 110 000 Euro einbüßen. »Sie wollen auch, dass nur noch Berufsjahre, die man ausschließlich in Zeitungsverlagen absolviert hat, für die Eingruppierung anerkannt werden.«

Die Verleger haben zudem eine gestaffelte Gehaltserhöhung angeboten: 120 Euro mehr ab Januar 2025, gefolgt von einer Erhöhung um 1,5 Prozent ab August 2026 und weiteren mageren 1,0 Prozent ab August 2027. Dieses Angebot bleibt deutlich hinter den gewerkschaftlichen Forderungen zurück, die eine Erhöhung um bis zu 12 Prozent bei einer Laufzeit von nur zwölf Monaten vorsehen.

Laut Freitag soll auch eine Sonderklausel in »unseren Gehaltstarifvertrag aufgenommen werden, wonach Verlage einfach behaupten können, dass es ihnen wirtschaftlich nicht gut geht«. Das könnte zur Folge haben, dass vereinbarte Tarifsteigerungen erst nach eineinhalb Jahren gezahlt würden. Das Abstruse daran: »Eine Verpflichtung, ihre ›Notlage‹ zu beweisen, soll es nicht geben«, sagt Freitag.

Die Arbeitgeber wollen finanzielle Einschnitte vor allem für Neueinstellungen durchsetzen. »Aber – und das hat es so noch nie gegeben – auch bereits angestellte Kolleg*innen wären von den erheblichen Einbußen betroffen, sofern sie die letzte Gehaltsstufe noch nicht erreicht haben«, heißt es vom DJV. Konkret bedeutet das laut der Gewerkschaft: »Wer sein Berufsleben lang nach dem aktuellen Tarifvorschlag des BDZV bezahlt würde, müsste 35 Jahre für ein Gesamtgehalt arbeiten, das er nach dem gültigen Flächentarifvertrag bereits nach 30 Jahren erreicht.«

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Da viele Verlage in NRW und bundesweit nicht mehr tarifgebunden sind, können Redakteur*innen nur mitstreiken, wenn sie zeitgleich für einen Haustarif bei sich im Verlag kämpfen. Dennoch scheint die Streikbeteiligung gut zu sein, hört man sich in der Branche um. Geht es doch ums Grundsätzliche. Peter Freitag meint: »Man merkt, dass die Kolleg*innen, drastisch gesagt, die Schnauze voll haben, dass die Arbeitgeber unsere Arbeit immer weiter entwerten wollen.«

Zur Einordnung: Seit 2010 sind die Tarifgehälter bei den Tageszeitungen um 16,4 Prozent gestiegen. »Die Inflation betrug im gleichen Zeitraum 31,7 Prozent. In der Gesamtwirtschaft stiegen die Gehälter allerdings um 36,5 Prozent«, erklärt Freitag.

Dabei leisten viele Redakteur*innen täglich engagierte und hochwertige journalistische Arbeit – auch für die Demokratie, wenn man annimmt, dass die Presse die vierte Säule der Gewaltenteilung ist. »Diese Leistung verdient eine faire und angemessene Bezahlung. Wir fordern den BDZV auf, endlich ein verhandlungsfähiges Angebot vorzulegen, das den realen Bedürfnissen der Beschäftigten entspricht«, meint auch Christof Büttner, Verdi-Gewerkschaftssekretär.

Am ersten Warnstreik in NRW in dieser Flächentarifrunde beteiligten sich Beschäftigte der Tageszeitungen »Neue Westfälische«, »Haller Kreisblatt« und »Der Patriot«. In Köln gab es Warnstreiks bei der Rheinischen Redaktionsgemeinschaft GmbH, dem Heinen Verlag (»Kölnische Rundschau«) und M. DuMont Schauberg Expedition der Kölnischen Zeitung (»Kölner Stadt-Anzeiger«). Auch in Bayern und Baden-Württemberg traten vor der fünften Verhandlungsrunde am Montag Tageszeitungsjournalist*innen in den Ausstand.

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