Fluglotsen streiken? Kündigung!
Deutsche Flugsicherung drohte Beschäftigten bei Streikteilnahme mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen
»Mit der Beteiligung an einem rechtswidrigen Streik zwingen Sie auch uns als Arbeitgeber, im Interesse des Unternehmens und seiner Kunden zu reagieren und Schaden möglichst abzuwenden. Sie riskieren damit arbeitsrechtliche Konsequenzen, die bis zur fristlosen Kündigung reichen können ...«
Nein, einfach wird diese Schlichtung nicht werden. Dafür sind die Fronten in der Tarifauseinandersetzung zwischen der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) und der Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) zu verhärtet. Das obige Zitat stammt aus einem Brief der DFS-Geschäftsführung an die Beschäftigten von voriger Woche. »Eine derartige Generalverunsicherung ist ein starkes Stück«, sagt der GdF-Vorstand Markus Siebers gegenüber ND. Derlei Verhalten erwarte man nicht von einem Bundesunternehmen. Die Gewerkschaft hatte zwei Mal zum Streik aufgerufen. Den ersten verbot das Arbeitsgericht in Frankfurt am Main auf Antrag der DFS, weil eine der Forderungen gegen eine Friedenspflicht verstieß. Beim zweiten Streikversuch der über 5000 Tarifbeschäftigten der Flugsicherung, davon rund 1900 Fluglotsen, unterlag der Arbeitgeber in zwei Instanzen und rief in der Nacht zu Dienstag die Schlichtung an.
Zu dem zitierten Brief, der ND vorliegt, sagte DFS-Sprecher Axel Raab dieser Zeitung: »Das war keine Drohung, sondern ein Hinweis. Wir müssen unsere Mitarbeiter darauf hinweisen, dass sie sich potenziell in diese Gefahr begeben.« Zudem beinhalte der Brief den Hinweis, dass die Geschäftsführung den Streik als nicht verhältnismäßig ansieht. Einen »klaren Einschüchterungsversuch« sieht dagegen GdF-Verhandlungsführer Dirk Vogelsang. »Selbst wenn eine der Forderungen unrechtmäßig wäre, drohen den Beschäftigten keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen, wenn sie sich auf das verlassen haben, was ihre Gewerkschaft gesagt hat.« Dazu gebe es Gerichtsurteile, »und das weiß die DFS auch«, so Vogelsang.
Dass Arbeitgeber Beschäftigte in Tarifauseinandersetzungen mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen drohen, komme vor, sagte ver.di-Sprecher Jan Jurczyk. Er erinnere sich beispielsweise an den Streit zwischen ver.di und der Diakonie ums Streikrecht. Der kirchliche Arbeitgeber drohte den Streikwilligen mit Abmahnung und Kündigung. Eine »Tendenz« sieht man bei ver.di indes nicht. Auch in den Branchen der IG Metall komme derlei direkte Einschüchterung nur im Einzelfall vor, sagte Sprecher Jörg Köther.
Im Falle einer festgefahrenen Tarifverhandlung bedeutet Schlichtung das Anrufen einer neutralen Instanz, die einen Kompromiss vorschlägt, der von beiden Tarifparteien akzeptiert wird – oder eben nicht. Dann folgt der Streik. Nach einer 2005 geschlossenen Vereinbarung zwischen DFS und GdF muss der Schlichter, den die Tarifparteien wechselseitig pro Tarifrunde bestimmen, binnen einer Woche nach Anrufung der Schlichtung Gesprächstermine vorschlagen. Vogelsang ist skeptisch, ob es noch zu einer Einigung kommt. Er sieht »massive Verstimmungen bei vielen Mitarbeitern«, angesichts des Verhaltens ihres Arbeitgebers. »Es würde keiner verstehen, wenn wir da jetzt mit irgendeinem Ergebnis rauskommen.«
Für die GdF waren die Anträge der DFS auf Streikverbot ein öffentliches Theater, um die Gewerkschaft zu diskreditieren. »Die Airlines wussten Bescheid, dass es nicht zum Streik kommen wird«, sagt Markus Siebers. Der Flugbetrieb sei ein sehr sensibles System, das könne man nicht spontan ändern. Crews müssten im Falle einer Streikdrohung umgebucht werden, Flugbewegungen neu aufeinander abgestimmt, so Siebers. »Und wenn Sie sich angucken, wie reibungslos das alles am Dienstagmorgen lief, dann müssen zumindest die zwei großen, also Lufthansa und Air Berlin vorher Bescheid gewusst haben.«
»Es gab keine Absprachen«, sagt dagegen DFS-Sprecher Axel Raab. »Es kann aber sein, dass die Fluggesellschaften gepokert haben, weil es in der Vergangenheit immer zur Schlichtung gekommen ist.« Mit Verantwortungsbewusstsein, dessen Fehlen der GdF immer wieder vorgeworfen wurde, habe das nichts zu tun, lediglich mit der Verunsicherung von Reisenden, meint Siebers.
Die Schlichtung »wird ein hartes Stück Arbeit«, so der Gewerkschafter. Neben 6,5 Prozent Entgelterhöhung für die rund 6000 DFS-Beschäftigten will die GdF vor allem tarifliche Regelungen und Kriterien für die Besetzung von bestimmten Stellen durchsetzen. Dadurch, dass beispielsweise bei Chefsekretärinnen einige Jahre Berufserfahrung vorausgesetzt werden, wolle man ein gewisses Maß an »geregelter Karriereplanung« durchsetzen – und das unter dem Dach eines Tarifvertrages. Für die Arbeitgeber ist diese Forderung jedoch nicht verhandelbar, weil »diskriminierend«. Die DFS wird sich aber nun in der Schlichtung damit auseinandersetzen müssen.
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