Eine Studie für Unternehmer

»Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft« reduziert Bildung auf ökonomische Sichtweise

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 4 Min.
Der »Bildungsmonitor 2011« erhebt wie seine Vorgänger den Anspruch, die Bildungssysteme der 16 Bundesländer wissenschaftlich zu untersuchen und nach ihrer Leistungsfähigkeit zu bewerten. Doch wie aussagekräftig sind die Ergebnisse wirklich?

Gibt es durch Wettbewerb eine bessere Bildung? Für die INSM ist die Antwort einfach. Mehr Wettbewerb in der Bildung schaffe mehr Qualität; mehr Qualität sorge für besser ausgebildete Fachkräfte; durch besser ausgebildete Fachkräfte wachse die deutsche Wirtschaft. Wettbewerb, so die Logik dieses Arguments, kennt keine Verlierer, sondern nur Gewinner. Ausgerechnet im Bildungsbereich soll Wettbewerb also zu anderen Ergebnissen führen als im Wirtschaftssystem? Bereits an dieser Argumentation der INSM zeigt sich: Die Denkfabrik der Unternehmer betreibt mehr Ideologie denn Wissenschaft.

Zu diesem Ergebnis kommt auch eine aktuelle Untersuchung des Tübinger Politikwissenschaftlers Tobias Kaphegyi. Im Auftrag der GEW-nahen Max-Traeger-Stiftung hat Kaphegyi die Methodik und Wissenschaftlichkeit der INSM-Studie unter die Lupe genommen (»Black Box Bildungsmonitor? Ein Blick hinter den Reiz des Rankings«, Tübingen August 2011). Das Ergebnis ist wenig schmeichelhaft. Die Ziele des Bildungsmonitors würden, so Kaphegyi, von den Arbeitgebern definiert. Die mögliche Interessenleitung werde aber kaum öffentlich diskutiert. Diese Interessenleitung ergebe sich aber schon durch den »normativen Grundsatz« des Bildungsmonitors. »Haushaltskonsolidierung« sei der wichtigste »Wachstumstreiber«, heißt es beispielsweise in der Einleitung der Studie aus dem letzten Jahr. »Haushaltskonsolidierung« meine aber nichts anderes als »Schuldenabbau«, »Schuldenbremse«, also Kürzungen in den staatlichen Haushalten, kritisiert Kaphegyi. »Dieser Festlegung muss sich (...) alles andere unterordnen. Dass der Abbau von Staatsschulden zwangsläufig zu mehr Wachstum führt, ist aber eine eher ideologische Festlegung.«

In der öffentlichen Debatte wird zudem meist ignoriert, dass der Bildungsmonitor lediglich eine »ökonomische Sicht« auf die Bildungssysteme der Bundesländer einnimmt. Mittel dazu ist das sogenannte Benchmarking, eine Methode, die Betriebswirtschaftlern dazu dient, ein Unternehmen so zu optimieren, dass es zum »Marktführer« aufschließt. Übertragen auf den Bildungssektor heißt dies, dass mittels Benchmarking ein Wettbewerb zwischen den Bundesländern angestoßen werden soll.

Das Problem ist, dass die Öffentlichkeit mit Zuschreibungen wie »bestes Bildungssystem« eine pädagogische Leistungsfähigkeit assoziiert, die aber überhaupt nicht Gegenstand des Bildungsmonitors ist. Kaphegyi unterstellt den Machern der Studie, dass dieses Missverständnis gewollt ist. So heißt es in der Überschrift der Pressemitteilung der INSM zur letztjährigen Untersuchung: »Bildungsmonitor 2010: Sachsen hat das beste Bildungssystem.« In der Pressemitteilung zum aktuellen Bildungsmonitor wurde in der Überschrift lediglich die Jahreszahl geändert.

Kein gutes Haar lässt der Tübinger Wissenschaftler auch an der methodischen Vorgehensweise seiner Kollegen. Knapp 70 Prozent der 13 Handlungsfelder (u.a. Schulqualität, Integration von Migranten, Bildungsarmut), die laut Bildungsmonitor das Wirtschaftswachstum in den jeweiligen Bundesländern positiv oder negativ beeinflussen, würden nur theoretisch beschrieben und nicht empirisch unterfüttert, d.h. es werde nur angenommen, dass bestimmte Indikatoren eine bestimmte Wirkung haben. Diese »ideologisch-theoretische Ausrichtung« geben die Autoren des Bildungsmonitors versteckt im methodischen Teil sogar zu: »Die Zuordnung der Indikatoren zu den Handlungsfeldern beruht ebenso wie ihre Auswahl auf theoretischen Überlegungen bezüglich ihres Einflussverhaltens auf die Zielsetzungen des Bildungssystems«, heißt es sowohl im letztjährigen als auch im aktuellen Bildungsmonitor.

Weiteres Problem: Die Wechselbeziehungen zwischen den Handlungsfeldern werden ausgeklammert. Inwieweit etwa das Bildungssystem kausal für das Wirtschaftswachstum eines Bundeslandes verantwortlich ist oder dieses für die Leistungsveränderung im Bildungssystem, lasse sich nicht seriös auseinanderhalten, argumentiert Kaphegyi. Es gebe Wechselbeziehungen zwischen beiden Variablen. Anders formuliert: Länder mit guter wirtschaftlicher Entwicklung haben ein leistungsfähiges Bildungssystem, weil sie weniger mit sozialen und herkunftsbedingten Problemen im Bildungssystem konfrontiert sind. Eigentlich müsste nicht Bremen mit Bayern, sondern Bremen mit einer bayerischen Stadt mit ähnlicher Sozialstruktur verglichen werden. Kaphegyi: Ein Bildungsmonitor, dem es wirklich um Qualität geht, müsste untersuchen, welches Bundesland es am besten schafft, »die sozioökonomische Herkunft von den Schulleistungen und den Bildungsbiografien der Schüler zu entkoppeln«.

Seit 2004 veröffentlicht die »Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft« (INSM) jährlich im Sommer den sogenannten Bildungsmonitor. Ergebnis der Studie ist ein Länder-Ranking. Seit dem ersten Ranking vor sieben Jahren gibt es aber auch Kritik an der Untersuchung. Im Fokus dabei vor allem der Auftraggeber des Bildungsmonitors, die von den Arbeitgeberverbänden der Elektro- und Metallindustrie finanzierte INSM.
Die Studie von Tobias Kaphegyi findet sich im Internet unter: www.gew.de/GEW_Olle_Kamellen.html, der Bildungsmonitor unter www.insm-bildungsmonitor.de

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