Geschlossenheit verordnet
Die CDU in Schleswig-Holstein ist nach der Boetticher-Affäre um Stabilität bemüht
Christian von Boetticher ist weg – der neue CDU-Supermann in Schleswig-Holstein heißt Jost de Jager. Der Wirtschaftsminister ist Kandidat Nummer 1 für den Landesvorsitz. Landesvorstand und alle Kreisvorsitzenden sprachen sich für den 46-Jährigen aus, der zudem nächstes Jahr das Amt des Ministerpräsidenten anstrebt. Auf vier Regionalkonferenzen wird er sich seiner Parteibasis vorstellen, ehe am 24. September ein Sonderparteitag folgt, auf dem er zum Parteichef gekürt werden soll. Theoretisch können bis dahin noch weitere Kandidaten ihren Hut in den Ring werfen, doch niemand rechnet ernsthaft damit, denn die Union im hohen Norden hat sich jetzt die Formel geschworen: Geschlossenheit über alles! Am 4. November ist dann vorgesehen, de Jager zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl zu wählen.
Die nach der Boetticher-Affäre schwer angeschlagene Partei will Handlungsfähigkeit beweisen und daher morgen auch die letzte vakante Personal-Baustelle abschließen, wenn der neue Fraktionsvorsitzende bekannt gegeben werden soll. Favorit ist nach Informationen des NDR nunmehr der bisherige Finanzminister Rainer Wiegard als ausdrücklicher Wunschkandidat von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen. Andere Anwärter werden dafür zurückstecken – manch einer auch zähneknirschend. Wiegard, der aus der HSH-Nordbank-Havarie als begleitender politischer Entscheidungsträger schadlos hervorgegangen ist, würde für die Übernahme des Fraktionsvorsitzes seinen Ministersessel verlassen. Dem Vernehmen nach soll der bisherige Staatssekretär Olaf Bastian im Finanzressort dann die Ministerurkunde bekommen.
Auch wenn die Union nach außen nun nach den vergangenen Krisentagen enger zusammenrückt, rumort es weiter an der Basis, die zwar fortan mitreden, aber nicht mitentscheiden darf. Auch in der Fraktion sind sich nicht alle grün, zumal es im Hinblick auf den nächsten Urnengang wegen des Wegfalls von Wahlkreisen zu einigen Kampfabstimmungen kommen wird. Und auch die Christdemokraten, die offenbar die delikaten Details aus dem Boetticher-Privatleben an die Öffentlichkeit zerrten und mit ihrer Intrige die vergangenen turbulenten Tage in Schleswig-Holstein zu verantworten haben, sind noch nicht geoutet.
Gerade in Schleswig-Holstein mit seinen Politskandalen der Vergangenheit, angefangen mit der Barschel-Affäre 1987, hat die Vokabel Moral ein bedeutsames Gewicht. Die anderen Parteien haben sich mit einer Kommentierung der Union-Kapriolen daher bisher auch wohlweislich zurückgehalten. SPD-Landesvorsitzender Ralf Stegner sprach gestern von »Durchhalteparolen«, die jetzt aus dem schwarz-gelben Lager mit einer Stimme Mehrheit (ausgerechnet die Boetticher-Stimme) zu vernehmen seien.
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