Die grauen Männer aus der zweiten Reihe
Die CDU in Schleswig-Holstein: Schlechte Umfragewerte, farbloses neues Personal
Die Affäre um Christian von Boetticher schadet dem Image der Nord-CDU. Einer Forsa-Umfrage zufolge fällt die Partei erstmals seit mehreren Jahren hinter die SPD zurück. Demnach würde es in Schleswig-Holstein, wo am 6. Mai 2012 gewählt wird, für eine rot-grüne Mehrheit reichen.
Die CDU fällt zurück auf nur noch 30 Prozent, während die SPD sich auf 32 Prozent verbessert. Die Grünen erhielten derzeit 19 Prozent. FDP, LINKE und der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) liegen jeweils bei vier Prozent. Wegen des Wegfalls der Fünf-Prozent-Klausel zieht die parlamentarische Vertretung der dänischen Minderheit, der SSW, auf jeden Fall ins Landesparlament ein. FDP und LINKE müssten draußen bleiben. Die LINKE hat sich im Vergleich zur letzten Umfrage aus dem Monat Mai, als sie noch bei zwei Prozent lag, allerdings verbessert. Jannine Menger-Hamilton, die Landessprecherin der Partei, sagt: »Das ist ein guter Ausgangspunkt für unseren Wahlkampf, wobei die sozialen Themen künftig erst wieder mehr Gewicht bekommen werden. Unser Ziel lautet sechs Prozent plus X.«
Bei der Union greift man zur »personellen Erneuerung« derweil auf die zweite Reihe zurück. Als neuen Fraktionschef hat man überraschend Johannes Callsen auserkoren, der nur geringe Bekanntheit besitzt. Damit gibt es nun auch keine Spekulationen mehr über eine Kabinettsumbildung, die für den Fall eines Wechsels von Finanzminister Rainer Wiegard auf den Platz des Fraktionsvorsitzenden bevorgestanden hätte. Callsen gehört dem Landesvorstand an, ist »Wirtschaftsexperte« und schlägt ähnlich wie der künftige Spitzenkandidat und designierte CDU-Landesvorsitzende Jost de Jager eher leisere Töne an. Im Wahlkampf haben beide aber ein forscheres Auftreten. Für die Union ist klar: Nur wenn sie – sofern die FDP Splitterpartei bleibt – wieder stärkste Partei im Norden wird, kann sie überhaupt auf die Grünen zugehen. Marlene Löhr, die Landesvorsitzende der Grünen, teilte mit, man werde nach der Wahl auch mit der Union reden. Eine Koalitionsaussage oder Vorfestlegung gebe es nicht.
Unterdessen wächst der Druck auf Christian von Boetticher, als Konsequenz seiner bekannt gewordenen Liebesbeziehung zu einer Minderjährigen nun auch sein Landtagsmandat abzugeben. Täte er dies, würde die schwarz-gelbe Regierung von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) ihre Ein-Stimmen-Mehrheit verlieren. Ein Patt wäre die Folge. Womöglich käme es zu sofortigen Neuwahlen. Von Boetticher ist mit seinem Direktmandat eigentlich nur den Wählern verpflichtet. In seiner Begründung, weshalb er weiter Abgeordneter bleiben möchte, hat er aber formuliert: »Mein Mandat werde ich aus Verantwortung für die bürgerliche Koalition weiter ausüben.«
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