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1976: Der Jazz wird "international"

45. Montreux Jazz Festival: Blick zurück in die Geschichte des Traditionsevents

  • Christoph Nitz
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit der zehnten Ausgabe änderte sich der Name des Festivals am Genfer See: Montreux International Festival sollte der seit den Anfängen gewachsenen musikalischen Bandbreite Rechnung tragen. Doch die hatten die Macher ohne den Wirt, in diesem Fall die Festivalbesucher gemacht. Für die blieb es beim "Montreux Jazz" und nach zwei Anläufen wurde die Namensänderung wieder rückgängig gemacht.
Ein Mädchen trägt ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Montreux International Festival" - diese Umbenennung sollte dem breiten musikalischen Spektrum ab der zehnten Auflage mehr Rechnung tragen. Doch schon 1978 kommt die Rückkehr des "Jazz" auch im Titel - die Fans hatten sich an den neuen Namen nicht gewöhnen wollen.
Ein Mädchen trägt ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Montreux International Festival" - diese Umbenennung sollte dem breiten musikalischen Spektrum ab der zehnten Auflage mehr Rechnung tragen. Doch schon 1978 kommt die Rückkehr des "Jazz" auch im Titel - die Fans hatten sich an den neuen Namen nicht gewöhnen wollen.

Leonhard Cohen eröffnete das Festival, dessen Gästeliste viele heute vergessene oder verblasste Interpreten aufführt. Gordon Lightfood, The Crusaders, The Dubliners oder auch Eric Burdon.

Mit dem Pasadena Roof Orchestra gastierte eine der renommiertesten Bid-Bands am Genfer See. Im kommenden Jahr sollte das 1969 gegründete Orchester die Musik für den letzten Film vom Marlene Dietrich "Schöner Gigolo, armer Gigolo" einspielen, bei dem morbiden 1920er Streifen sollte auch David Bowie als Schauspieler mitwirken. Bowies Berliner Jahre folgten. Für den Film über die Comedian Harmonists sowie für Stars wie Robbie Williams und Bryan Ferry wurde die Big Band in den kommenden Jahrzehnten verpflichtet und feiert auch heute mit ihrem Repertoire des Swing der 1920er und 1930er Jahre weltweit Erfolge.

1973 wird Claude Nobs Schweizer Direktor der Plattenfirma WEA (die drei Buchstaben stehen für die in dem Konglomerat aufgegangenen Labels Warner, Elektra und Atlantic). Zurück ging diese Berufung auf sein erstes Treffen mit Nesuhi Ertegün (im englischsprachigen Raum wird der Name der Plattenmogule Ertegun geschrieben) in den 1960er Jahren zurück - in anderen Versionen dieser Geschichte soll das Treffen mit Ahmet Ertegün stattgefunden haben. Damals war Nobs Buchhalter beim Fremdenverkehrsbüro Montreux und besuchte angeblich ohne Voranmeldung die Büros des Atlantic-Labels in New York. Beide - so geht die Geschichte weiter, gleich welcher der beiden Brüder nun der Gesprächspartner war - können sich leiden und auch neben Englisch auf Schwizerdütsch verständigen, denn der Vater der Ertegün-Brüder war türkischer Botschafter in Bern. Und mit dieser Freundschaft im Gepäck wird das Festival von Jahr zu Jahr weiter ausgebaut, denn als Schweizer Plattenboss kann Claude Nobs sein mkusikalisches Netzwerk noch enger knüpfen.

Nachdem seit dem ersten Festival immer mehr internationale Acts abseits der Jazz-Genre-Grenzen eingeladen wurden, wurde 1976 der "Jazz" aus dem Namen gestrichen. Auf dem zeitgenössischen Foto trägt ein Mädchen das T-Shirt mit dem neuen Namen, der nur kurz zum Einsatz kommen sollte. Später wird unter dem Label "Montreux Jazz" ein "musikalischer Supermarkt" betriebem, den manche wie die Kollegen von der Zeit auch ein "teures Tuttifrutti" , dessen Definition des Jazzbegriffs auf die einfache Formel zu bringen sei "Jazz ist, was Nobs mag." Jazz-Puristen und Kritiker wandeten sich deshalb vom Festival ab und Joachim E. Berendt schimpfte, dass Montreux "kein Jazz-Festival" sei. Das Publikum hingegen bleibt dem Schweizer "Kessel Buntes" treu und nach Jahren kamen auch die Medien wieder, um sich selbst ein Bild davon zu machen.

Seit 1971 sind auch die Rolling Stones bei Atlantic und damit bei den Ertegüns unter Vertrag. Das erste Konzert außerhalb Englands hatte 1964 Nobs organisiert und als die Steine am Tiefpunkt ihrer Karriere angelangt sind, kommen sie an den Genfer See um "Black and Blue" aufzunehmen. Die erste Produktion mit dem "neuen" Gitarristen Ronnie Wood, den Keith Richards von den Faces abgeworben hatte. Es gibt ein herrliches Foto von den Stones am Genfer See - aus dem Jahr 1964. Damals tragen sie noch Anzüge und sehen nicht wirklich wilder aus als die angeblich "sanfteren" Beatles. "Black and Blue" wird in München vollendet und seit 1972 hatten die Stones keinen Auftritt mehr in Montreux. Doch das musikalische Netzwerk von Claude Nobs wirkt bis heute - nur wenn er bei David Bowie anrufe, nehme der den Telefonhörer auch ab, lässt sich "Mister Montreux" zitieren.

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