Wunder gibt es nur noch am Montag
Italiens Regierung will aus Kostengründen zivile und kirchliche Feiertage verlegen
Das Sparpakt der italienischen Regierung zum Schuldenabbau, über das in diesen Tagen das Parlament debattieren wird, sorgt für immer stärkere Proteste quer durch alle Schichten der Gesellschaft. Während anfangs nur die groben Richtlinien kritisiert wurden – mehr Steuern, weniger soziale Dienstleitungen und keine Impulse für Wirtschaftswachstum –, werden jetzt die einzelnen Maßnahmen unter die Lupe genommen. Darunter jene, die alle zivilen Feiertage auf einen Montag legt, damit die Arbeitnehmer keine »Brücken« für längere arbeitsfreie Perioden bauen können. In Italien gibt es drei zivile Feiertage. Den 1. Mai, Fest der Arbeit, den 25. April, Tag der Befreiung vom Faschismus, und den 2. Juni, Fest der Republik. Alle anderen sind religiöse Feste, die in dem Konkordat zwischen der Kirche und Staat festgelegt und damit unantastbar sind.
Der Wegfall von »Brückentagen«, so die zuständigen Minister, wäre gut für die italienische Wirtschaft und würde die Produktivität ankurbeln. Viele Beobachter allerdings bezweifeln das. Doch nicht nur Wirtschaftsexperten halten die Maßnahme für unsinnig. Gegen die Festlegung verstärkt sich der Widerstand insbesondere der Verbände ehemaliger Partisanen. Der Befreiungstag am 25. April ist ein Grundpfeiler der politischen und zivilen Kultur in Italien, betonen sie. Selbst in der Verfassung sei festgelegt, dass die italienische Republik aus dem Widerstand gegen den Faschismus hervorgegangen ist, argumentieren die antifaschistischen Kämpfer. Einige Vertreter der Partisanenorganisation ANPI befürchten zudem, dass die rechte Regierung auf diese Weise das antifaschistische Fundament Italiens unterhöhlen und den Widerstand gegen die Nazis aus dem kollektiven Gedächtnis tilgen will. Scharfer Protest kommt aber auch von den Gewerkschaften. Die Arbeitnehmervertretungen unterstreichen, dass der 1. Mai eine Errungenschaft ist, für die Generationen von Arbeiterinnen und Arbeitern hart gekämpft und sogar mit dem Leben bezahlt haben.
Zudem wehren sich einige Teile der Kirche gegen den Regierungsbeschluss. Denn unter den »verlegten« Feiertagen sind auch die Feste für die Schutzpatrone der jeweiligen Städte; an diesen Tagen wird nicht gearbeitet. In Neapel beispielsweise wird am 19. September der Tag des Heiligen Januarius begangen, des Schutzpatrons der Hafenstadt. Und an diesem Tag, so ist es Tradition, betet die ganze Stadt für das »Wunder«. Wenn sich das Blut des Heiligen in seiner Reliquie verflüssigt – und das ist glücklicherweise häufig der Fall –, dann steht der Stadt ein gutes Jahr bevor. Wenn das Wunder nicht eintritt, dann sollen Katastrophen drohen. Der Erzbischof von Neapel, Crescenzio Sepe, hat die Regierung in Rom bereits wissen lassen, dass man das Fest des Heiligen Januarius unmöglich verlegen könne: »Die Verflüssigung des Blutes geschieht nicht durch Menschenhand«, schreibt er. »Und also kann das Ereignis auch nicht vom Menschen verschoben werden.« Wunderheilige richten sich eben nicht nach dem Willen einer Regierung!
Sehr viel weltlicher ist dagegen der Protest der Tourismusbranche. Ihre Vertreter haben berechnet, dass der Wegfall der »Feiertagsbrücken« für den gesamten Sektor einen Verlust von etwa sechs Milliarden Euro jährlich ausmachen würde.
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