Bosbach sieht Land »dauernd am Abgrund«

Die CDU streitet über Wege zur Lösung der Euro-Krise / Bundespräsident droht »Zumutungen« an

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 3 Min.
In der Frage, wie das Finanzsystem stabilisiert werden soll, ist man in der CDU weiter verunsichert und zerstritten. Die Partei findet zu keiner Einigung zum neuen Euro-Rettungsfonds.

Die Bundeskanzlerin brachte eine Überwachung des sogenannten Stabilitäts- und Wachstumspakts durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) ins Gespräch und verlangte, man müsse als Konsequenz aus der Krise ein »Mehr an Europa« akzeptieren. Der Innenausschuss-Vorsitzende Wolfgang Bosbach lehnte das ab und forderte ein Verfahren, mit dem hochverschuldete Staaten nötigenfalls in die Insolvenz entlassen werden können. Er und andere CDU-Politiker gaben zu verstehen, dass sie vorerst bei ihrer Ablehnung des neuen Euro-Rettungsfonds bleiben. Die Stabilitätskriterien seien auch von Deutschland verletzt worden, sagte Bosbach. Dem Fernsehsender n-tv sagte er: »Wir stehen dauernd am Abgrund und ich fürchte, wir werden auch weiter haften.«

In der CDU wandelt die Angst vor einer wachsenden Belastung des deutschen Haushalts. Um den Euro zu stabilisieren, werde man »in erheblichem Umfang deutsche Steuergelder einsetzen müssen«, sagte Philipp Mißfelder (CDU). Ursula von der Leyen (CDU) schlug vor, dass die verschuldeten Länder weitere Kredite mit ihren Goldreserven und Unternehmensbeteiligungen absichern, gewissermaßen die Totalprivatisierung Griechenlands.

Die Hans-Böckler-Stiftung hingegen glaubt nicht an solche Lösungen. Ihr zufolge können die von CDU und FDP abgelehnten Eurobonds zur Überwindung der Krise beitragen, »ohne dass die Zinsen für deutsche Staatskredite wesentlich steigen«. Der wissenschaftliche Direktor des der Stiftung angeschlossenen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, Gustav A. Horn, empfiehlt, »alle Euro-Staaten streng auf die Einhaltung des Inflationsziels der europäischen Zentralbank (EZB) von knapp zwei Prozent zu verpflichten«. Weitere Überschuldung könne so verhindert werden.

Auch der Bundespräsident, Christian Wulff (CDU), der sich bisher nicht gerade als Ökonomie-Experte hervorgetan hat, äußerte sich gestern zum Thema. Aus den Medien kennt man ihn als den Mann, der winkt, Hände schüttelt und lächelnd rote Bänder durchschneidet und sich für gewöhnlich mit Äußerungen zur Tagespolitik zurückhält, wenn es sich dabei nicht gerade um ein paar aufmunternde leere Phrasen handelt. Gestern kritisierte er die Politik der europäischen Staatsregierungen und die EZB. Indirekt sprach er sich gegen Eurobonds aus. Europa sei eine »Solidargemeinschaft«, sagte er. Die aber gilt offenbar nur, so muss man ihn wohl verstehen, solange es nicht um Geld geht: Die Schuldenkrise, meinte er, sei nicht »allein mit Geld und Garantien zu mildern«. Aufmerksamkeit verdienen seine Hinweise, dass es notwendig werden könne, dass Politiker auch »unpopuläre Entscheidungen« zu treffen hätten, und dass die Lasten der Krise »fair verteilt« werden müssten. Die notwendigen Problemlösungen bedeuteten »Zumutungen für alle«.

Dass derlei Aussagen verklausulierte Drohungen sind, ist nicht schwer zu erraten: Mit den Sparprogrammen hat es noch kein Ende. Offensichtlich soll die Bevölkerung frühzeitig auf auch hierzulande zu erwartende »Reformen« vorbereitet werden.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.