Paris bastelt einen ausgeglichenen Haushalt
Frankreichs Regierung verkündet rigoroses Sparprogramm / Sozialisten fordern Steuergerechtigkeit
Frankreichs Premier Francois Fillon hat am Mittwochabend den mit Spannung erwarteten Spar- und Maßhalteplan der Rechtsregierung vorgestellt. Da die Steuereinahmen wegen des schwachen Wirtschaftswachstums geringer ausfallen als veranschlagt und die Regierung außerdem die Staatsverschuldung energisch abbauen will, sollen nun weitere Ausgaben gestrichen sowie neue Einnahmequellen erschlossen werden. Fillon erklärte, man grenze sich dabei ab von den »drastischen Sparmaßnahmen« in anderen Ländern, wo massiv Gehälter und Renten gesenkt sowie Steuern erhöht würden. In dieser Situation befinde sich Frankreich nicht. Doch müssten die vergleichsweise hohen Staatsausgaben »den von der Krise geprägten wirtschaftlichen Gegebenheiten angepasst werden«.
Der Plan sieht Einnahmeerhöhungen und Einsparungen in Höhe von zwölf Milliarden Euro bis 2012 vor, davon eine Milliarde noch im laufenden Jahr. Dadurch soll das Haushaltsdefizit 2012 auf 4,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gesenkt werden, 2013 auf drei Prozent, und ab 2015 soll der Haushalt ausgeglichen sein, was es zuletzt vor 35 Jahren gab. Fillon zufolge werden ab sofort zehn Prozent der Steuervergünstigungen gestrichen, wobei die Steuerfreistellung von Überstunden, ein früheres Wahlversprechen von Präsident Nicolas Sarkozy, nicht angetastet wird. Bezieher von Einkommen über 500 000 Euro im Jahr müssen zusätzlich eine »Solidaritätssteuer« von drei Prozent entrichten. Diese Sonderabgabe, die bestehen bleiben soll, bis das Haushaltsdefizit wieder unter die Maastrichtgrenze von drei Prozent gesunken ist, dürfte nicht mehr als 200 Millionen Euro in die Staatskasse spülen. Sie hat also eher symbolische Bedeutung. Mehr als doppelt so viel wird die höhere Besteuerung der Zusatzrentenkassen bringen, auf die fast alle Franzosen angewiesen sind. Die stärkere Besteuerung des Erlöses beim Verkauf von Zweitwohnungen, Ferienhäusern oder Baugrundstücken wird auf 2,2 Milliarden veranschlagt.
Überraschend plant die Regierung die Erhöhung der Steuern auf Alkohol und Tabakwaren und eine neue »Cola-Steuer« auf gezuckerte, nichtalkoholische Getränke. Ausgenommen von der Erhöhung der Alkoholsteuer bleiben Wein und Rum, was auf das Gewicht der Besitzer von Weingütern und von Zuckerrohrplantagen in den Überseedepartements zurückzuführen sein dürfte. Die Mehreinnahmen sollen gezielt dem Gesundheitswesen zugute kommen, wo gleichzeitig die Mehrausgaben 2012 auf 2,8 Prozent begrenzt werden. Im öffentlichen Dienst kommt es zu Einsparungen, da künftig nur jede zweite frei werdende Beamtenstelle neu besetzt wird.
Die Oppositionsparteien kritisierten, dass die Regierung erneut die Chance vertan habe, durch eine tief greifende Reform mehr Steuergerechtigkeit herzustellen. Der sozialistische Spitzenpolitiker François Hollande prangerte die »systemlose Bastelei« der Rechtsregierung an. Die Sondersteuer für Reiche bringe nur einen Bruchteil dessen ein, was ihnen in jüngster Vergangenheit durch die Reform der Vermögensteuer sowie der Einführung einer Steuerobergrenze zugute gekommen sei. Parteikollegin Ségolène Royal schlug daher vor, dass die reichsten Familien die Millionen zurückerstatten, die ihnen seit 2007 durch Sarkozys Steuerbegrenzung zugeschanzt wurden. Und es sei an der Zeit, »die Banken zu zwingen, ihrer Rolle zur Ankurbelung der Wirtschaft durch Kredite gerecht zu werden, statt mit den Einlagen ihrer Kunden hemmungslos an den Finanzmärkten zu spekulieren«. Auch der Zentrumspolitiker Jean-Louis Borloo, Ex-Minister unter Sarkozy, forderte, die »einfachen Franzosen in Ruhe zu lassen«, dafür aber »die höchsten Einkommen, die umfangreichsten Vermögen und die größten Unternehmen« deutlich stärker zu besteuern. Dies würde »sofort mehr als 20 Milliarden Euro erbringen«.
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