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Mehr ist nicht immer mehr

Wie der Rettungsschirm reformiert wird

Ein Sondergipfel der Euro-Staaten hatte kürzlich eine Reform des Krisenfonds beschlossen – nun sollen die Parlamente diese absegnen. Die schwarz-gelbe Bundesregierung will heute die Reform des EU-Rettungsschirms beschließen. Bis Ende September soll die Neuregelung im Parlament verabschiedet werden. Schon wieder soll der deutsche Gesetzgeber ohne echte Möglichkeit der Kontrolle im Eilverfahren einem riesigen Hilfspaket zustimmen.

Auch wenn die Aufregung innerhalb der schwarz-gelben Koalition diesmal besonders groß ist – den Rettungsschirm für angeschlagene Euro-Staaten, im Beamtensprech: Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF), gibt es längst. Er wurde im Mai 2010 auf einem EU-Gipfel beschlossen, nachdem sich herausgestellt hatte, dass der erste milliardenschwere Notfallplan von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) für Griechenland die Lage nicht beruhigt hatte und weitere Euro-Länder in eine prekäre Finanzlage gerieten. Nur zehn Tage später wurde das »Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus« mit knapper Mehrheit der Koalitionsparteien vom Bundestag beschlossen. SPD und Grüne enthielten sich, die Linksfraktion stimmte dagegen.

Bei dem jetzigen Beschluss geht es um eine Reform der EFSF, welche die 17 Staats- und Regierungschefs der Euro-Staaten am 21. Juli bei ihrem Sondergipfel beschlossen hatten. Die Reform kann erst in Kraft treten, wenn entsprechende Gesetzestexte ausgearbeitet und von den nationalen Parlamenten beschlossen worden sind.

Dabei geht es um eine Aufstockung des Krisenfonds, die de facto gar keine ist. Was paradox klingt, hat seinen Grund in der Ausgestaltung der EFSF. Diese Zweckgesellschaft mit Sitz in Luxemburg erhält ihre Finanzmittel nicht von den europäischen Steuerzahlern – die Euro-Länder stehen lediglich mit Garantien für den unwahrscheinlichen Fall eines Zahlungsausfalls bereit –, sondern platziert Anleihen auf dem Kapitalmarkt. Das so aufgenommene Geld geht als Kredit an die Hilfsempfänger. Die Anleihen sollen beim Rating die Bestnote »AAA« erhalten, damit die EFSF möglichst niedrige Zinsen zu zahlen braucht. Da aber nur einige Euro-Länder wie Deutschland und Frankreich ihrerseits ein »AAA« haben, kann der EFSF nur Mittel in der Höhe der Garantien dieser »AAA«-Länder aufnehmen. So liegt die tatsächliche Höchstsumme nur bei etwa 250 Milliarden Euro – hinzu kommen 60 Milliarden aus Brüssel und 250 Milliarden vom IWF –, obwohl ursprünglich 440 Milliarden geplant waren. Mit den EFSF-Krediten an Irland und Portugal sowie dem zweiten Hilfspaket für Griechenland ist die Höchstsumme zwar noch nicht erreicht, denn an den Paketen beteiligen sich auch der IWF, einzelne EU-Staaten und die Krisenländer steuern ebenfalls Eigenmittel bei; bei Irland beträgt der EFSF-Anteil am 85-Milliarden-Euro-Paket nicht einmal die Hälfte. Aber spätestens wenn ein großer Staat wie Spanien oder Italien Hilfen benötigen würde, würde der Rettungsschirm nicht mehr ausreichen. Um tatsächlich 440 Milliarden Euro verliehen zu können, soll der Rettungsschirm daher nun auf 780 Milliarden aufgestockt werden.

Ferner sieht die EFSF-Reform neue Instrumente vor. So soll der Fonds künftig Staatsanleihen auf dem Kapitalmarkt aufkaufen dürfen. Diese Aufgabe hatte bisher die Europäische Zentralbank inne – die Notenbanker murren aber etwas, weil dadurch angeblich die geldpolitische Unabhängigkeit der EZB gefährdet sei. Der Aufkauf von Staatsanleihen hat zwei Effekte: Zum einen soll er bei Spekulationen auf die Zahlungsunfähigkeit eines Euro-Landes die Lage beruhigen, damit dieses den Kapitalgebern nicht immer höhere Zinsen bieten muss. Zum anderen würden Banken entlastet, die selbst viele Anleihen des Krisenstaates besitzen. Weitere neue EFSF-Instrumente sind vorsorgliche Kredite an Euro-Länder, bevor diese in eine echte Krise kommen, und Kapitalbeteiligungen an Banken, auch wenn diese sich in Ländern befinden, für die es kein Hilfsprogramm gibt.

Mit der EFSF-Reform ist es aber noch lange nicht getan. Im Dezember stehen Entscheidungen über den dauerhaften Euro-Krisenmechanismus ESM an – die EFSF läuft im Juni 2013 aus.


Zeitplan

Bis Ende September sollen die Euro-Länder die jüngsten Gipfelbeschlüsse zur Stabilisierung der Gemeinschaftswährung umsetzen – so hatten es Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und der französische Präsident Nicolas Sarkozy Anfang August beschlossen. Der voraussichtliche Zeitplan in Deutschland:

31. August: Das Bundeskabinett beschließt den Entwurf zur Reform des Rettungsfonds EFSF. Geplant ist, den deutschen Garantierahmen für den Fonds von 123 Milliarden auf rund 211 Milliarden Euro aufzustocken. Um 10.30 Uhr will die Kanzlerin die Partei- und Fraktionsvorsitzenden der im Bundestag vertretenen Parteien über ihren Kurs in der Euro-Krise informieren. Dabei dürfte es auch um die Frage gehen, wie eine ausreichende Beteiligung des Bundestages an künftigen Rettungsaktionen sichergestellt werden kann.

7. September: Das Bundesverfassungsgericht verkündet sein Urteil zu dem im Mai 2010 beschlossenen Euro-Rettungsschirm. Allgemein wird erwartet, dass das Gericht eine stärkere Einbindung des Bundestags einfordern wird. Das Urteil soll dann so schnell wie möglich in den EFSF-Gesetzentwurf eingearbeitet werden, über den der Bundestag am 7. oder 8. September erstmals debattiert.

12. bis 16. September: Beratungen in den Ausschüssen.

29. September: Abschließende Entscheidung des Bundestages über die EFSF-Änderungen. Dies sollte ursprünglich eine Woche früher geschehen. Doch wegen des Papst-Besuches wurde der Zeitplan als zu eng empfunden.

29. oder 30. September: Sondersitzung des Bundesrats, um das Gesetzgebungsverfahren abzuschließen. AFP/dpa/ND

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