Rezepte aus der neoliberalen Mottenkiste
Neues Hochschulrahmengesetz in Griechenland stößt auf Widerstand von Studierenden und Gewerkschaften
Das Parlament sei aufgerufen, einen »historischen Schritt« zu machen, hatte Ministerpräsident Giorgos Papandreou in der Debatte um das neue Hochschulrahmengesetz erklärt. »Einen entschlossenen Schritt, um Krankheiten auf einem für jede Gesellschaft sensiblen Gebiet, der Bildung, zu heilen.« Es gelte, die Logik des Bildungssystems zu reformieren, sagte Papandreou und bezeichnete das Gesetz als »eine Änderung, die dem Bildungswesen des Landes für viele Jahre ihren Stempel aufdrückt«.
Das Mitte letzter Woche im griechischen Parlament verabschiedete neue Hochschulrahmengesetz von Bildungsministerin Anna Diamantopoulou enthält tatsächlich grundlegende Veränderungen für die Universitäten. Neben den drei- und fünfjährigen Studiengängen sieht es ein- bis zweijährige Lehrgänge vor, in denen die Absolventen diverse Leistungsnachweise für den Arbeitsmarkt sammeln können. Die Finanzierung der Hochschulen wird von deren »Wettbewerbsfähigkeit« abhängig gemacht, die universitäre Selbstverwaltung drastisch eingeschränkt. Statt des Senats soll in Zukunft ein 15-köpfiges Gremium, in dem neben sieben Professoren und einen einzigen Studierenden sechs außeruniversitäre Mitglieder sitzen, alle wichtigen Entscheidungen treffen. Auch das Hochschulasyl, nach dem die Polizei erst auf Aufforderung eines Leitungsgremiums mit studentischer Beteiligung das Universitätsgelände betreten durfte, wird aufgehoben.
Genau gegen diese einschneidende Wende weg von der traditionellen öffentlichen, einheitlichen und für die Studierenden kostenfreien Bildung hin zur an den Markt ausgerichteten Ausbildung wehrt sich die Mehrheit der Betroffenen. Für die Synode der Universitätspräsidenten steht dabei die Abschaffung der Hochschulselbstverwaltung und der öffentlichen Finanzierung im Vordergrund. Während sich bei den Professoren Befürworter und Gegner die Waage halten, sind die Studierenden ziemlich geschlossen gegen das Gesetz. »Mit der Zerlegung der Studiengänge in Lehrveranstaltungen mit individuellen Einzelnachweisen wird doch jede Grundlage für allgemeine Tarifverträge im Arbeitsleben hinterher ausgehebelt«, meinte z.B. Efi, die gemeinsam mit Kommilitonen in der Athener Innenstadt gegen die Verabschiedung des Gesetzes protestierte, im Gespräch mit dieser Zeitung. Auch die Abschaffung des Hochschulasyls gefällt der Pharmazeutik-Studentin nicht. »Das Asyl ist eine Errungenschaft für die sozialen Auseinandersetzungen der gesamten Gesellschaft, nicht nur für die Studierenden.«
Zusammen mit den Studierenden demonstrierten auch die Gewerkschaften in den Grund- und weiterführenden Schulen gegen die Bildungsreform. »Die Einführung der neoliberalen Mentalität an den Hochschulen ist nur die Vorstufe für eine entsprechende Umformung auch an den Schulen«, erläutert Pavlos Antonopoulos die Haltung seiner Gewerkschaft. »Dies zeichne sich bereits jetzt ab, meint das Vorstandsmitglied der Gewerkschaft OLME an den Mittel- und Oberschulen. »Bildungsministerin Anna Diamantopoulou wird dieses Jahr nur 600 neue Lehrkräfte mit unbefristeten Verträgen einstellen, Tausende durch Pensionierung freigewordene Stellen werden dagegen mit befristet angestellten Lehrern besetzt. Die Vollzeitstellen werden abgeschafft, die Arbeit auch in der Bildung vollständig flexibilisiert.«
Großen Zuspruch fand die Hochschulreform dagegen im griechischen Parlament. Nicht nur die regierende PASOK, auch die Abgeordneten der konservativen Nea Dimokratia, der kleinen »Demokratischen Allianz« unter Nea Dimokratia Aussteigerin Dora Bakogianni und der rechtspopulistischen LAOS-Partei stimmten der Vorlage von Bildungsministerin Diamantopoulou zu. Die Nea Dimokratia hatte zuvor ihr Abstimmungsverhalten von der Abschaffung des Asyls, sowie kleinen Änderungen bei der Wahl des Hochschulpräsidenten abhängig gemacht. Die drei linken Oppositionsparteien, KKE, SYRIZA und Demokratische Linke stimmten als einzige gegen das Gesetz.
Hohe soziale Hürden
Etwa 180 000 junge Menschen studieren an den insgesamt 24 Universitäten des Landes, weitere etwa 150 000 an den 16 Fachhochschulen. Der Zugang zu den Hochschulen ist durch die Teilnahme an den griechenlandweiten Eingangsprüfungen geregelt, die nach Abschluss des 12-jährigen Schulbesuchs abgelegt werden.
Die zwischen drei und fünf Jahre dauernden Studiengänge sind stark verschult, im Zuge der EU-weiten Bildungsreform wurden auch hier Bachelor und Master eingeführt. Daneben sind jedoch derzeit noch die Studiengänge mit traditionellem Diplom als Abschluss möglich.
Die Akademikerarbeitslosigkeit ist hoch. Von den derzeit etwa 800 000 Arbeitslosen (16,6 Prozent der potenziell Erwerbstätigen) haben über 92 000 einen Hochschulabschluss, weitere circa 12 000 einen postakademischen Titel (Doktortitel).
Trotzdem gehört es nach wie vor zu den vorrangigen Zielen griechischer Eltern, ihre Kinder auf die Universität zu schicken. Für das Bestehen der Eingangsprüfungen ist in der Regel jedoch der Besuch zahlreicher zusätzlicher Schulungskurse während der letzten Schuljahre notwendig, da die griechischen Oberschulen (Lyzeum) nicht ausreichend auf die Aufnahmeprüfungen vorbereiten. Diese sogenannten Frontistiria sind kostenpflichtig, pro Jahr und Kind sind dafür mehrere hundert Euro aufzubringen. Dies bedeutet eine hohe soziale Hürde für einen Studienplatz, insbesondere im Wunschstudiengang an der präferierten Universität.
Anke Stefan
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