Kampf gegen Altersarmut mit Kostengrenze
Mehr als zwei Milliarden Euro gibt es nicht – »Regierungsdialog Rente« droht zur Farce zu werden
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) durchlebt eine schwarze Woche: Erst zerpflückten zwei Gutachten der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung am Montag sowohl ihre Hartz-IV-Regelsatzberechnungen als auch ihr Bildungspaket für arme Kinder. Gestern nun knöpfte sich die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ihre Rentenpolitik vor. Gegenüber der Zeitung »Die Welt« betonte Monika Queisser, die Leiterin der Abteilung Sozialpolitik bei der OECD, dass Deutschland »international zu den Schlusslichtern bei der Alterssicherung von Geringverdienern« gehöre. Queisser kritisierte die strikte Beitrags-Leistungs-Bindung, die im Endeffekt dazu führe, dass Menschen mit geringen Einkommen im Alter armutsgefährdet seien. Das es auch anders gehe, zeige das Beispiel Neuseeland, wo jeder Rentner eine steuerfinanzierte Garantierente erhalte.
Die OECD-Expertin warnte zudem: »Noch ist Altersarmut in Deutschland nicht weit verbreitet, doch wird sie deutlich zunehmen, wenn man nicht jetzt Maßnahmen ergreift«. Neben Geringverdienern beträfe das Risiko, später nur eine Mini-Rente zu beziehen, auch Menschen mit langer Arbeitslosigkeit oder Familienzeiten. Andere seien da weiter, so Queisser. Sie verwies in diesem Zusammenhang auf Länder wie die Niederlande oder Dänemark, die innerhalb ihrer Rentensysteme viel stärker umverteilten als die Deutschen.
Queisser übte zudem ganz grundsätzliche Kritik am deutschen Rentensystem, das nur Arbeitnehmer einbeziehe, nicht aber Selbstständige. Im westeuropäischen Vergleich macht die Bundesrepublik also keine besonders gute Figur.
Die Kritik von der OECD kommt für die Bundesarbeitsministerin zur Unzeit. Denn heute beginnt in Berlin der »Regierungsdialog Rente«. Im Zuge dieser medienwirksamen Inszenierung will die Ressortleiterin mit Wissenschaftlern, Arbeitgebern, Sozialverbänden und Gewerkschaften über das »Problem Altersarmut« sprechen. Dabei sind die grundsätzlichen Defizite des Rentensystems längst bekannt.
Zumal »Die Welt« am Dienstag berichtete, dass es von der Leyen beim Dialog wohl vor allem darauf ankommt, die Kosten zu drücken. So dürfen die Korrekturen nicht mit mehr als zwei Milliarden Euro zu Buche schlagen. Für die Ministerin ist diese Indiskretion aus dem Hause Springer äußerst unangenehm. Schließlich soll der Regierungsdialog hinter verschlossen Türen stattfinden. Das Zwei-Milliarden-Limit gilt offenbar als gesetzt, damit die für 2013 anvisierte Rentenbeitragssenkung kommen kann. Sie ist ein Geschenk an die Arbeitgeber, die keine Gelegenheit auslassen, um auf eine deutliche Senkung der Beiträge zu drängen, damit sich die »Arbeitskosten verringern«.
So ist jetzt schon klar, dass der Dialog nicht mehr als eine Mini-Reform zur Folge haben wird. Laut »Welt« plant die Ministerin »Verbesserungen« bei der Erwerbsminderungsrente. Demnach sollen die Abschläge der Betroffenen zukünftig geringer ausfallen. Auf Drängen der FDP sollen die Zuverdienstgrenzen für Frührentner erhöht werden. Also werden zukünftig noch mehr Menschen im Alter arbeiten müssen. Schon jetzt bessern 660 000 Bundesbürger ihre oftmals schmale Rente mit Nebenjobs auf.
Die Opposition verfolgt derweil drei verschiedene Konzepte gegen Altersarmut. So wollen die Grünen eine »Garantierente«, die LINKEN eine »Mindestrente« und SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte jüngst eine »Sockelrente«, die oberhalb der heutigen Grundsicherung liegen soll.
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