Äußerst scheinheilig
Der Verband der diakonischen Dienstgeber in Deutschland (VdDD) hat rund 350 000 Beschäftigte in 160 Betrieben – von der Jugendhilfe über ambulante Pflegedienste bis zu Krankenhäusern. In diesen Unternehmen gilt das Betriebsverfassungsgesetz nicht, es gibt keine Betriebsräte, dafür aber Mitarbeitervertretungen auf Basis des Kirchenrechts. Dort wird zwar auch über Entgelte verhandelt, ein Streikrecht und damit die Möglichkeit zum wirklichen Arbeitskampf haben die Beschäftigten aber nicht.
Lohndumping, Outsourcing und miese Arbeitsbedingungen gibt es in diesen Betrieben jedoch auch. Und im Gesundheits- und Pflegebereich hat die Zahl der Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter in den letzten Jahren noch stärker zugenommen als in der Gesamtwirtschaft. Das Fehlen von Betriebsräten und des Streikrechts als stärkste Waffe im Arbeitskampf erweist sich im hart umkämpften Pflegemarkt letztlich als Wettbewerbsvorteil. Wo nicht für höhere Löhne gestreikt werden darf, bleibt die Bezahlung eben niedriger, kann geschaltet und gewaltet werden, wie es der Markt gerade verlangt. Ganz einfach.
Die kirchlichen Wirtschaftsunternehmen im VdDD agieren als normale Arbeitgeber – inklusive der ganz normalen kleinen und großen Arbeitgeberschweinereien. Dass der VdDD Ende letzten Jahres kurz vor den Verhandlungen vor den Arbeitsgerichten um das Streikrecht seiner Beschäftigten aus der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände ausgetreten ist, ändert an dieser Tatsache nichts.
Im Frühjahr nächsten Jahres entscheidet das Bundesarbeitsgericht über das Streikrecht in den kirchlichen Betrieben. Doch die Konfliktparteien, Kirchen und Gewerkschaft, haben bereits angekündigt, den Streit auch bis zu den höchsten europäischen Gerichten tragen zu wollen. Bis also ein Grundsatzurteil gefällt wird, wird wohl noch einige Zeit vergehen. Und die Beschäftigten warten weiter darauf, für ihre Arbeitsbedingungen auch kämpfen zu können.
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