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Interessenausgleich unmöglich

Der Druck in Sachen Vorratsdaten steigt, die Gegner wollen in Berlin demonstrieren

Ein Teil der Gegner der Vorratsdatenspeicherung beginnt, auf Light-Modelle umzuschwenken. Für die meisten Bürgerrechtler ist ein Kompromiss allerdings weiterhin undenkbar.
In den vergangenen Jahren haben jeweils mehrere tausend Menschen im September in Berlin gegen Überwachung demonstriert.Dieses Wochenende ist die nächste Gelegenheit.
In den vergangenen Jahren haben jeweils mehrere tausend Menschen im September in Berlin gegen Überwachung demonstriert.Dieses Wochenende ist die nächste Gelegenheit.

Die Festnahme zweier Terrorverdächtiger in Berlin ist für Unionspolitiker einmal mehr das Stichwort, die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung zu fordern. Ganz logisch klingt das zwar nicht, immerhin zeigt die Festnahme ja, dass Ermittlungen offenkundig auch ohne diese Maßnahme funktionieren, aber schlüssige Argumentation spielt in der bald zehnjährigen Debatte um die 2006 beschlossene EU-Richtlinie ohnehin kaum eine Rolle. Stattdessen wird unermüdlich wiederholt, ohne Vorratshaltung bei Kommunikationsdaten sei Strafverfolgung nicht möglich.

Erstaunlicherweise lehnen trotzdem zwei Drittel der Bevölkerung die anlasslose Speicherung ab, wie Konstantin von Notz auf dem netzpolitischen Blog der Grünen berichtet. Er bezieht sich auf eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Allensbach, die ausgerechnet von der Unionsfraktion in Auftrag gegeben, aber nicht öffentlich gemacht worden sei. Selbst 56 Prozent der Anhänger von CDU/CSU sind demnach nur für eine Speicherung bei Verdacht auf eine Straftat. Das ist jedoch der Vorschlag der FDP-Ministerin im Kabinett.

Das unermüdliche Trommeln der Befürworter bleibt dennoch nicht ohne Wirkung. Je länger der Konflikt dauert, desto wackeliger werden die Widerständler. Nicht, weil sie überzeugt wären, sondern aus dem Gefühl heraus, die konsequente Linie nicht durchsetzen zu können. Denn schon das Bundesverfassungsgericht hatte die Vorratsdatenspeicherung nicht samt und sonders verworfen, sondern in engen Grenzen für vertretbar erklärt. Wohl gemerkt, folgt daraus nicht der Zwang zur Einführung, aber es hat den Gegnern einen Schlag verpasst. Manche glauben, dass der Abwehrkampf verloren ist, und werben nun für kleinere Übel.

So enthält der Gesetzentwurf aus dem Hause von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger das sogenannte Quick-Freeze, wonach Telefondaten erst bei konkretem Verdacht gespeichert werden dürfen, Internetverbindungen jedoch generell sieben Tage lang. Ein Kreis von Netzexperten der SPD ist zusammen mit einem bekannten Internet-Aktivisten ebenfalls umgeschwenkt und befürwortet die Aufzeichnung von IP-Adressen für 80 Tage.

Wissenschaftler der Universität Kassel und des Instituts für Europäisches Medienrecht (EMR) entwickeln schonmal Vorschläge für den Fall, dass die Vorratsdatenspeicherung eingeführt wird. Ihr Ansatz ist grundrechtssensibler als das, was Hardlinern vorschwebt. Sie bemühen sich um Begrenzung und Entschärfung des Instruments. Die grundsätzlichen Einwände werden damit freilich nicht ausgeräumt: Selbst die vermittelndsten Vorschläge lassen zu, dass sämtliche Kommunikationsdaten ohne konkreten Verdacht gespeichert werden und bedeuten damit einen »Dammbruch«, wie Alexander Dix, Datenschutzbeauftragter von Berlin, meint. Er ist überzeugt, dass jede Spielart mit der EU-Grundrechtecharta und der Menschenrechtskonvention kollidiert. Patrick Breyer, Jurist und Aktivist des AK Vorrat, hält deshalb das Ziel des Forschungsprojekts – ein Interessenausgleich im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung – für unmöglich. Die Idee, erstmal alles aufzuzeichnen, für den Fall, dass es irgendwann gebraucht wird, sei nicht vereinbar mit einer freiheitlichen Gesellschaft. Zudem macht er auf eine verschobene Wahrnehmung aufmerksam: »Das derzeit geltende Recht ist bereits ein Kompromiss«, betont Breyer. Im Grundgesetz wurde einst die uneingeschränkte freie Kommunikation der Bürger zugesichert. Dieses Recht existiert längst nicht mehr.

Am Sonnabend protestieren diejenigen, die gegen jegliche Vorratsdatenspeicherung sind, erneut in Berlin. Die Demonstration unter dem Motto »Freiheit statt Angst« richtet sich gegen ausufernde Überwachung und Beschneidung von Bürgerrechten. Der AK Vorrat will zudem mit einer Online-Petition die breite Ablehnung deutlich machen. Sie braucht bis zum 14. September 50 000 Unterstützer, damit ein Aktivist das Anliegen persönlich im Bundestag vortragen kann. Bislang haben 20 000 Menschen unterschrieben.

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