Generalstreik in England?

Gewerkschaftsdachverband TUC tagte diese Woche / Arbeitskampf gegen Sparmaßnahmen angekündigt

  • Christian Bunke, London
  • Lesedauer: 3 Min.
Von Montag bis Mittwoch hielt der britische Gewerkschaftsbund TUC seine jährliche Konferenz in London ab. Es war eine kleinere Konferenz als sonst, normalerweise trifft man sich in großen Hotels britischer Küstenstädte. Viele Medien unkten deshalb, die britische Gewerkschaftsbewegung stünde kurz vor der Bedeutungslosigkeit.

Totgesagte leben länger! Dieser Kongress wird in die Geschichte eingehen. Am Mittwochvormittag eröffnete Dave Prentis, der Generalsekretär der UNISON Gewerkschaft, die Debatte über die Auseinandersetzung mit der Regierung über die geplanten Kürzungen der Renten im öffentlichen Sektor. Alle Berufsgruppen sind von erhöhten Beitragssätzen, verringerten Auszahlungen im Rentenalter und längeren Lebensarbeitszeiten bedroht. Mitglieder der Gewerkschaft für Staatsangestellte PCS, der Lehrergewerkschaft NUT, der Gewerkschaft für Lehrende an Universitäten und einigen andere streikten darum gemeinsam am 30. Juni.

Die großen Gewerkschaften UNISON, GMB und UNITE hatten sich damals noch nicht an dem Streik beteiligt. Am Mittwochvormittag kündigte UNISON-Generalsekretär Prentis die Einleitung eines Urabstimmungsverfahrens seiner Gewerkschaft an. Alle 9000 Arbeitgeber sowohl in den Kommunen als auch dem Gesundheitsbereich würden darin mit einbezogen. Dem schlossen sich Redner der UNITE und GMB an. Eine Reihe weiterer Gewerkschaften erklärte, am Mittwoch Urabstimmungsverfahren eingeleitet zu haben. Damit steht ein Generalstreik im britischen öffentlichen Sektor im Herbst auf der Tagesordnung.

Es wäre der größte Streik seit 1926. Außerdem planen die Gewerkschaften eine Reihe von weiteren Massenstreiks und anderen Kampfmaßnahmen. Das ist nicht vom Himmel gefallen. Noch am Donnerstag gab es ein Treffen zwischen Gewerkschaftsführern und Regierung. Allerdings verweigerte die Regierung jede Verhandlungsbereitschaft über ihre Vorhaben. Stattdessen führt die Regierung derzeit Verhandlungen mit lokalen Stadtverwaltungen, um diesen bei der Umsetzung der Sparpakete zu helfen.

Ein anderer Aspekt ist der Druck, der sich in den vergangenen Wochen auf die Gewerkschaftsführer aufgebaut hat. Am Sonntag organisierte das oppositionelle National Shop Stewards Network eine Demonstration von hunderten Gewerkschaftern vor die Tore des TUC-Hauptquartiers in London. Es wurde eine Petition mit Tausenden Unterschriften eingereicht, mit der die Organisation eines Generalstreiks gefordert wurde.

Innerhalb von UNISON hatten Gewerkschaftslinke die Einberufung von Notfallkonferenzen der Sektoren, innerhalb derer die Gewerkschaft organisiert ist, für den kommenden Freitag durchgesetzt. Auf diesen sollten Anträge für die Durchführung von Urabstimmungen für Streiks gegen die Sparpläne der Regierung diskutiert werden. Die UNISON-Führung gilt als eher konservativ. Dass Dave Prentis am Mittwoch eine Bewegung anführte, die den Weg zu einem Generalstreik frei macht, zeigt die Dramatik der Situation.

Der Unmut vieler Delegierter hatte sich bereits am Dienstag gezeigt, als Oppositionsführer Ed Miliband von der Labourpartei zur Konferenz sprach. In seiner Rede bezeichnete er Streiks als Fehler und rief zu Verhandlungen auf. Dies wurde mit lauten Zwischenrufen quittiert. Miliband erklärte weiterhin, keine Versprechungen machen zu können, die er in der Regierung nicht erfüllen könne. Auch eine Labourregierung hätte Kürzungen durchgeführt, so Miliband. Diese Auffassung wurde am Mittwoch unter anderem von Vertretern der Gefängniswärtergewerkschaft POA gekontert. Die Auffassungen Milibands seien schlicht falsch. Unter der Blair/Brown-Labourregierung wurde Gefängniswärtern das Streikrecht entzogen. POA-Delegierte erklärten jedoch: »Wir werden die Antigewerkschaftsgesetze brechen, wenn es in der Rentenfrage nicht zu einem Abkommen kommt. Gibt es einen Streik, werden wir da sein.«

Nun muss der TUC die Worte in Taten umsetzen. Wohl um die Ernsthaftigkeit zu unterstreichen, berief TUC Generalsekretär Brendan Barber bereits im Anschluss des Kongresses ein Treffen der beteiligten Gewerkschaften ein, um die nächsten Schritte für die Streiks vorzubereiten.

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